Wie lassen sich die Steuern vereinfachen und die Personen oder die Firmen entlasten? In einem neuen Buch stellt Avenir Suisse sieben steuerpolitische Baustellen dar, von der Mehrwertsteuer bis zur Pauschalbesteuerung. Die Bundeserbschaftssteuer wird ebenfalls diskutiert.

Im steuerpolitischen Alltag herrscht der Kleinkrieg der Partikularinteressen: Kaum eine Woche vergeht, ohne dass die eine oder andere Lobby gut gemeinte Vergünstigungen für ihre Klientel zu ergattern versucht. Dies schlägt sich in der wachsenden Komplexität des Steuersystems nieder einem Beschäftigungsprogramm für Behörden, Gerichte, Anwälte und Steuerberater.

In diesem Gezerre geraten die grundsätzlichen Fragen in den Hintergrund. Zu Unrecht, denn das Steuersystem prägt das wirtschaftliche Verhalten der Menschen: wie sie investieren, welche Güter sie konsumieren, mit welchem Mix von Arbeit, Kapital und Energie sie produzieren. In einem neuen Buch stellt Avenir Suisse deshalb die steuerpolitischen Baustellen dar, also neben der aktuellen Frage einer Bundeserbschaftssteuer (siehe unten) sechs Themen, die alle gerade für KMU eine grosse Bedeutung haben.

Mehrwertsteuer: In ihrer schweizerischen Form ist die Mehrwertsteuer weit entfernt von einer umfassenden Konsumsteuer. Drei Steuersätze und viele Ausnahmen machen das System administrativ aufwändig und volkswirtschaftlich suboptimal. Wegen vielen, teils gewichtigen Ausnahmen verbleibt eine Steuerlast («taxe occulte») von geschätzten 6 bis 7 Milliarden Franken bei den steuerpflichtigen Unternehmen.

Avenir Suisse meint: Die Steuerbasis sollte möglichst breit sein, und alle Güter und Dienstleistungen (auch Finanzdienstleistungen) sollten dem gleichen Einheitssteuersatz unterliegen. Es ist volkswirtschaftlich verschwenderisch und sozialpolitisch nicht zielführend, über Ausnahmen und Sondersätze verteilungspolitische Ziele zu verfolgen oder Branchenförderung zu betreiben.

Steuervergünstigungen: Sie machen das Steuersystem intransparent, selektiv und administrativ aufwändig. Ihre Verteilungswirkungen sind häufig problematisch, weil sie zulasten der Allgemeinheit und zugunsten gut organisierter Partikularinteressen gehen.

Avenir Suisse meint: Die Steuerbasis darf nicht durch Steuervergünstigungen ausgehöhlt werden. Jede Vergünstigung bedeutet eine Steuererhöhung fürall jene, die davon nicht profitieren. Die effektivste Massnahme gegen Vergünstigungen ist eine Begrenzung der allgemeinen Steuerlast.

Untemehmensbesteuerung: 2008 sprach sich das Volk für die Unternehmenssteuerreform II aus. Diese soll die wirtschaftliche Doppelbelastung durch die Besteuerung von Gewinnen und Dividenden mildern, die Personenunternehmen von Steuern bei Ersatzbeschaffungen oder Erbteilungen entlasten und substanzverzehrende Steuern abbauen.

Avenir Suisse meint: Aus Sicht der Volkswirtschaft sind Unternehmensgewinnsteuern schlechte Steuern, weil sie indirekt die Investitionstätigkeit belasten. Die Reform geht in die richtige Richtung. Sie liesse sich aber noch weiter treiben, um ein einfaches und effizientes System der Unternehmensbesteuerung zu schaffen.

Eigenmietwert und Bausparen: Der steuerliche Umgang mit Wohneigentum ist in der Schweiz ein politischer Dauerbrenner. Häufig werden Forderungen, das Eigenheim steuerlich zu begünstigen, mit der tiefen Wohneigentumsquote begründet. Der Eigenmietwert von selbstgenutztem Wohneigentum wird von vielen Eigenheimbesitzem als fiktives Einkommen empfunden.

Avenir Suisse meint: Die schweizerische Praxis ist, finanzwissenschaftlich gesehen, besser als ihr Ruf. Die Forderung nach einem nationalen Bauspar- Modell ist denn auch abzulehnen: Einerseits gehen davon kaum positive Effekte auf die Gesellschaft aus, andererseits sind die Erfahrungen mit Bauspar- Modellen ernüchternd.

Pauschalbesteuerung: Kritiker meinen, die Besteuerung nach dem Aufwand verletze Grundsätze der Steuergerechtigkeit. Und ausländische Stimmen sprechen von «schädlichem Steuerwettbewerb» – obwohl auch Grossbritannien, Österreich und Belgien ähnliche Sonderregelungen kennen. Als Reaktion auf politischen Druck läuft gegenwärtig eine Gesetzesreform, die auf eine Verschärfung der Berechtigungskriterien zielt.

Avenir Suisse meint: Staatspolitische Gründe wie die kantonale Steuerhoheit sprechen dagegen, die Aufwandbesteuerung abzuschaffen. Die Ungleichbehandlung von Steuerpflichtigen ist eine demokratisch legitimierte Selbstdiskriminierung.

Lenkungsabgaben: Die in der Schweiz verwendeten Abgaben lösen selten eine sinnvolle Lenkungswirkung aus. Entweder sind die Lenkungseffekte bescheiden oder, wenn die Lenkungswirkung tatsächlich einsetzt, gehen Steuererträge verloren, weshalb die Steuersätze erhöht werden, bis sie in keinem Verhältnis zu den tatsächlichen externen Kosten stehen.

Avenir Suisse meint: An sich sind Lenkungsabgaben sinnvoller als Gebote und Verbote. Sie dürfen sich jedoch nicht, wie es in den letzten Jahren oft geschah, zu Steuern entwickeln. Und die Initiative «Energie- statt Mehrwertsteuer » ist abzulehnen: Die hohen Steuersätze, die nötig wären, würden eine starke Lenkungswirkung auslösen, also die Steuerbasis so schmälern, dass wichtige Steuererträge verloren gingen oder neue Steuern eingeführt werden müssten.

Insgesamt gilt: Die Schweiz geniesst zwar international den Ruf eines Steuerparadieses – aber kaum zu Recht. Denn die Gesamtbelastung der hiesigen Haushalte und Unternehmen ist nicht als besonders tief einzustufen. In der tiefen Steuerquote der Schweiz (30,3%) sind die obligatorischen Beiträge an die berufliche Vorsorge und an die Unfall- und Krankenversicherung nicht eingeschlossen. Mit einer Zwangsabgabenquote von 42% liegt die Schweiz im Mittelfeld – die Quote sollte also nicht noch steigen.

Dieser Artikel erschien in der "Zürcher Wirtschaft" vom 19.01.2012.

In der gleicher Ausgabe erschienen auch die Artikel «Gefährliche Erbschaftssteuer» und «Weltkulturerbe Steuerföderalismus».