Gibt es im Immobiliensektor zu viel Markt oder zu wenig? Lindern gemeinnützige Wohnungsanbieter wie etwa Genossenschaften die derzeitigen Branchenexzesse? Oder sind sie, im Gegenteil, mitverantwortlich dafür?

Vor einer Woche fällten die Stadtzürcher einen Entscheid mit Signalwirkung: 76 Prozent der Stimmenden hiessen einen wohnpolitischen Grundsatzartikel gut, der verlangt, dass der Anteil der gemeinnützigen Wohnungen am gesamten Wohnungsbestand von derzeit etwa einem Viertel auf ein Drittel im Jahr 2050 erhöht wird.

Geht es nach der Zürcher SP-Nationalrätin Jacqueline Badran, soll ein solcher Grundsatz auch auf Bundesebene verankert werden. Das Problem sei, dass «Immobilien von einer Wert- zu einer Ertragsanlage geworden sind». Dem könne nur entgegengewirkt werden, wenn das Wohnen der «Renditemaximierung» entzogen werde: «Ich bin für einen Non- Profit-Immobilienmarkt.» Je mehr Wohnungen im Besitz gemeinnütziger Anbieter seien, desto besser sei dies für die Mieter.

Falsch, heisst es bei der Denkfabrik Avenir Suisse. Es gebe im Schweizer Immobiliensektor nicht zu viel, sondern zu wenig Markt. «Gemeinnütziger Wohnbau in grossem Stil ist eine Rationierungs- und Abschottungsstrategie», sagt Patrik Schellenbauer: «Denn die tiefen Mieten schaffen eine nie zu befriedigende Übernachfrage, die bürokratisch oder über <Vitamin B> verwaltet wird.»

Vielmehr müsse dafür gesorgt werden, dass in bestehenden Siedlungsgebieten mehr privater Wohnraum entstehe. Damit könne die Nachfrage befriedigt werden, die infolge des Bevölkerungswachstums und der steigenden Platzansprüche rasant zugenommen habe: «Man sollte die Städte konsequent verdichten, etwa, indem man ganze Häuserzeilen um eine Etage aufstockt. Das bedingt, dass Korsette entfernt und Regulierungen abgebaut werden.»

Auch für Hans Egloff, Zürcher SVP- Nationalrat und Vorstandsmitglied des Schweizer Hauseigentümerverbands (HEV), ist klar: «Wenn ein Drittel der Bevölkerung gemeinnützig wohnen kann, dann heisst das, dass zwei Drittel der Leute den Preis dafür bezahlen müssen.»

Sicher ist: Die Stimmbürger werden 2012 gleich über mehrere Bau- und Wohninitiativen befinden können. Am 11. März gelangt eine Bausparinitiative aus dem Kanton Basel-Landschaft zur Abstimmung. Sie soll den Kantonen ermöglichen, subventionierte Bausparmodelle einzuführen. Abgestimmt wird am 11. März auch über die Initiative gegen den «uferlosen Bau von Zweitwohnungen». Eine zweite Bausparinitiative kommt voraussichtlich am 17. Juni vors Volk. Der HEV will mit ihr das Bausparen steuerlich begünstigen. Weitere Vorlagen sind hängig darunter die Landschaftsinitiative, welche die Gesamtfläche der Schweizer Bauzonen während 20 Jahren einfrieren will.

Erschienen in der «SonntagsZeitung» am 04.12.2011.