Konjunktur

Avenir-Suisse-Direktor Gerhard Schwarz zeichnet düstere Konjunkturszenarien.

Die Weltbank hat ihre globale Wachstumsprognose wegen der Euro-Krise kräftig gestutzt und warnt vor einem Absturz der gesamten Weltwirtschaft. Weltweit erwartet die Weltbank nur noch ein Wachstum von 2,5 Prozent in diesem und 3,1 Prozent im nächsten Jahr. «Das ist noch optimistisch», kommentierte der Direktor des liberalen Think Tanks Avenir Suisse, Gerhard Schwarz, gestern anlässlich seines Referats am Wirtschaftssymposium Aargau. «Ich rechne mit mehreren Jahren der Stagnation», so Schwarz. Zwar stehe die Schweiz im internationalen Vergleich noch gut da. Doch auch sie könne sich der globalen Entwicklung nicht entziehen. Die kommenden Jahre stünden aus konjunktureller Sicht im Zeichen von Inflation oder Austerität. «Die Inflation wäre auch für die Schweiz gravierend, weil etwa die Vermögen in der beruflichen Vorsorge an Wert verlieren würden», so Schwarz.

Die weltweiten Spar- oder Austeritätsprogramme dagegen würden die Investitionstätigkeit bremsen, Infrastrukturprojekte würden zurückgestellt, worunter die wirtschaftliche Tätigkeit zu leiden habe. Die Schweiz habe zwar von der Einführung der Schuldenbremse im Jahr 2003 profitiert und konnte die Verschuldung entgegen dem internationalen Trend von knapp 60 Prozent im Jahr 2003 auf unter 40 Prozent des Bruttoinlandproduktes senken. «Damit erfüllt die Schweiz wohl als einziges Land noch die Maastrichter Kriterien», so Schwarz gestern in Aarau.

Den starken Franken betrachtet der Avenir-Suisse-Direktor aber als grosses Handicap für die Schweiz. Das zeige sich deutlich an der Entwicklung der Lohnstückkosten. In Franken gerechnet gehört die Schweiz gemäss den Zahlen der Schweizerischen Nationalbank (SNB) wegen den tiefen Lohnstückkosten zu den kompetitivsten Ländern Europas. Nur in Deutschland seien die Kosten noch weniger stark gestiegen. «In Euro gerechnet bewegen sich die Kosten dagegen auf gleich hohem Niveau wie Griechenland», sagt Schwarz. Die Anhebung des Euromindestkurses von 1.20 Franken wäre wahrscheinlich nicht so schlecht. So seien denn auch die Vermögen, die Schweizer direkt im Ausland investiert haben, seit September 2009 um 213 Milliarden Franken gesunken. «Der SNB-Verlust von rund 20 Milliarden im Jahr 2010 ist dagegen ein Klacks», so Schwarz.

Neutralität nutzen

Die grosse Herausforderung für die Eidgenossenschaft verortet Schwarz auch in der steigenden Lebenserwartung der Menschen und deren Auswirkungen auf die Sozialversicherungen. «Die Kosten der Alterung sind enorm», so Schwarz. Unausweichlich dürfte deshalb eine Schuldenbremse auch in den Sozialversicherungen sein, genauso wie eine Erhöhung des Rentenalters und einer Senkung der Umwandlungssätze bei der beruflichen Vorsorge. Für die Volkswirtschaft insgesamt sieht Schwarz wegen der sinkenden Bedeutung der Finanzbranche Chancen im Gesundheitssektor und im Rohstoffhandel. «Wegen ihrer politischen Neutralität bietet die Schweiz gerade für den Rohstoffhandel Standortvorteile», so Schwarz. Dagegen sei der innovationshemmenden Wirtschaftspolitik ein Riegel zu schieben. Die Direktzahlungen für die Landwirtschaft seien genauso verfehlt wie der Sondersatz der Mehrwertsteuer für den Tourismus und die ineffizienten Subventionen der Cleantech-Industrie. «Ich habe nichts gegen Cleantech, wenn sie im freien Markt entsteht, aber wenn sie mit Subventionen künstlich unterstützt wird, ist das verfehlt.»

Dieser Artikel erschien in der «Aargauer Zeitung» vom 19. Januar 2012.