Die Schweizer Wirtschaft gilt als Sonderfall. Gewachsen in einer von natürlichen Rohstoffen grösstenteils verschmähten Umgebung, gedieh sie über die Jahre zu einer Grösse von beneidenswertem Niveau. Heute belegt sie im internationalen Vergleich gemessen an diversen Erfolgsfaktoren regelmässig Spitzenränge. Anlass genug, einen Blick hinter die Gründe für den Erfolg zu werfen. Am 24. Top-Anlass des Wirtschaftsforums Uster wagte Avenir-Suisse-Direktor Gerhard Schwarz gestern eine Analyse – und teilte seine Gedanken über Rezepte für eine anhaltende Erfolgsgeschichte des «Wirtschaftswunders Schweiz» mit.

Opfer des eigenen Erfolgs

Und die Rolle des Analytikers erfüllte Schwarz gut. In einem Aufwisch ging der liberale Denker auf die Voraussetzungen für den Erfolg ein, nannte Faktoren wie hohes Arbeitsethos, duales Bildungssystem, aber auch die direkte Demokratie und die Neutralität. Nur um im nächsten Moment über die Schattenseiten zu sprechen. «Die Gegenwart ist beeindruckend», so Schwarz. «Aber wir sind Opfer unseres Erfolgs.» Die Lohnstückkosten seien gewaltig, das Bevölkerungswachstum und damit die Raumverknappung riesig. Und der Druck aus dem Ausland wachse nicht nur im Streit um das Bankgeheimnis stetig.

Doch welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, damit die Schweiz einer prosperierenden Zukunft entgegenblicken kann? Schwarz plädierte dafür, zu den eigenen Stärken zu stehen. Als Beispiel nannte der langjährige Leiter der «NZZ»-Wirtschaftsredaktion die eigene Währung, die es zu erhalten gelte. «Die Souveränität birgt klare Vorteile », so Schwarz. «Die langfristige Aufwertung des Frankens ist eine davon. Auch wenn ich mir wünschen würde, dass die Nationalbank das Euro- Kursziel auf Fr. 1.25 anhebt.»

«Wir müssen anders sein»

Ebenfalls zu verteidigen sei der offene Arbeitsmarkt. Das grassierende Unbehagen gegenüber der starken Zuwanderung müsse man jedoch ernst nehmen. Als mögliche Lösung schlug Schwarz eine «selektivere Offenheit» vor. Und auch beim Thema Banken-Regulierung bekannte er Farbe. Die Richtung, die man mit den Eigenkapitalvorschriften eingeschlagen habe, sei richtig. «Sie liesse sich sogar noch verschärfen.» Mit den Voraussetzungen, zu denen im Übrigen auch eine AHV-Schuldenbremse, ein Einheitssteuersatz bei der Mehrwertsteuer und ein Festhalten am bilateralen Weg gehören, mag Schwarz die Parolen von Avenir Suisse heruntergebetet haben. Gleichzeitig zeigte er damit aber, dass hohes Niveau kein Anlass für Selbstzufriedenheit und Stillstand sein darf. Ein Gedanke, den Schwarz im Schlusswort aufgriff. «Wir müssen versuchen, besser zu sein als die anderen», meinte er. «Aber wir müssen auch versuchen, anders zu sein. Ich bin überzeugt, dass wir nur dann fähig sind, besser abzuschneiden als unsere Nachbarn. Das ist nicht viel. Gemessen an den bevorstehenden Herausforderungen ist es aber auch nicht wenig.»

Dieser Artikel erschien im «Zürcher Oberländer» vom 28. März 2012.