Die in vielen Kantonen seit dem Jahr 2000 wachsende Zahl der Gemeindezusammenschlüsse könnte darüber hinwegtäuschen: Ohne die jeweilige Einmischung des Kantons läuft nichts. Das lässt sich an einigen Beispielen veranschaulichen:

  • Die radikale Glarner Gebietsreform war letztlich ein Kraftakt des Kantons (legitimiert durch die Landsgemeinde, die seine gesetzgebende Instanz ist).
  • Im Kanton Uri fand hingegen seit der Gründung des Bundesstaates keine einzige Fusion statt, obwohl sich auch hier nur 35‘000 Einwohner auf 20 Gemeinden verteilen und einige Täler typische Landschaftskammern vorgeben würden.
  • In der Waadt, bis dahin nur knapp vor Graubünden der Kanton mit den zweitkleinsten Gemeinden, bewegte sich die Gemeindelandschaft bis 2011, als der neue, radikal veränderte Finanzausgleich des Kantons in Kraft trat, kaum. Alleine während der letzten 12 Monate reduzierten dann aber 16 Fusionen die Gemeindezahl um 49.
  • In allen 14 Kantonen, die seit der Jahrtausendwende Gemeindezusammenschlüsse erlebt haben (siehe Abbildung), ist die finanzielle Unterstützung der Fusionen gesetzlich verankert.

Viele Wege führen zur Fusion

Zwangsfusionen sind zwar nur in einer Minderheit der Kantone möglich, wurden bisher erst in zwei Kantonen (TI, VS) angewandt und gelten auch dort nur als ultima ratio. Doch die Kantone haben verschiedene andere Instrumente zur Hand, um die Gemeindestrukturen direkt oder indirekt zu beeinflussen: Allen voran das System zum innerkantonalen Finanz- und Lastenausgleich, die direkte finanzielle Unterstützung von Gemeindefusionen, aber auch weniger pekuniäre Elemente, die von der Kommunikation von Leitbildern zum möglichen Aussehen einer zukünftigen Gemeindelandschaft über die administrative Unterstützung von Gemeindezusammenschlüssen bis zur Ausgestaltung von sachspezifischen Gesetzen, die die Aufgabenteilung und Finanzierungsverantwortung beeinflussen, reichen.

Wenn eine Umstrukturierung der Gemeindelandschaft angesichts wachsender funktionaler Verflechtungen und neuer Herausforderungen so lohnenswert erscheint, drängt sich die Frage auf: Wieso passen die Gemeinden ihre Strukturen nicht auch ohne Zutun des Kantons an?

Nicht nur die Gemeinde profitiert

Die Antwort ist einfach: Die Entscheidungsträger in den Gemeinden tragen weder die wahren Kosten der Gemeindestruktur noch kommen ihnen die vollen Vorteile möglicher Strukturanpassungen zugute. Dies ist einerseits auf die kantonale Gesetzgebung zurückzuführen, die in vielen Details anreizverzerrend wirken kann, anderseits aber auch auf die individuelle Anreizsituation der Entscheidungsträger, die bei einer Fusion die Autonomie ihrer Gemeinde zumindest de jure aufgeben und, im Falle von festangestellten Mitgliedern der Gemeindeexekutive, möglicherweise ihren eigenen Job abschaffen. Oft verhindern auch Finanzkraftunterschiede Zusammenschlüsse, die sich aus übergeordneter Sicht lohnen könnten.

Gemeindepolitische Massnahmen der Kantone sind insofern kein ungebührlicher Eingriff in die Gemeindeautonomie, sondern (im Idealfall) eine Korrektur bestehender Verzerrungen.

Mehr zu diesem Thema erfahren Sie in der Avenir-Suisse-Studie «Gemeindeautonomie zwischen Illusion und Realität».