In der Schweiz gilt der Begriff Service public fast schon als Zauberwort. Service public wird nicht nur als Grundlage für Wirtschaftswachstum gesehen, sondern auch als Voraussetzung für den Zusammenhalt zwischen Stadt und Land, als Instrument der Regionalpolitik, als Mittel der Einkommensumverteilung und – immer mehr – als lukrative Einnahmequelle für den Staat. Der Service public wird damit zu einer Art «eierlegender Wollmilchsau». Ein freier Markt und das Streben nach Gewinn – so die Meinung vieler – führten bloss zu höheren Preisen sowie geringeren Staatseinnahmen und gefährdeten die Versorgung in weiten Teilen des Landes. So sehen es auch die Konsumentenschützer, die jüngst eine Volksinitiative lancierten.

Doch so einfach ist es nicht. Definition und Finanzierung des Service public sind häufig Spielball von Interessengruppen wie Gewerkschaften oder öffentlichen Unternehmen, die sich den Grundversorgungsauftrag besonders grosszügig abgelten lassen und Vorteile im Wettbewerb erhalten. Viele Leistungen gelten noch als Grundversorgung, wenn sich Technologien und Konsum längst gewandelt haben. So transportiert die Post heute mehrheitlich Massensendungen wie Kontoauszüge, während für Dringendes längst E-Mail verwendet wird. Das wachsende Service-public-Angebot lässt sich zudem kaum auf eine bessere Erschliessung abgelegener Regionen zurückführen. Das veranschaulicht etwa der öffentliche Verkehr. Immer mehr Agglomerationsgemeinden verlangen einen noch besseren Anschluss an die Zentren. Davon profitieren weniger die Pendler, sondern vor allem die Eigner von Immobilien, deren Wert mit der Verkehrsverbindung wächst. Ungewollte Umverteilung und wachsende Zersiedelung sind das Resultat.

Es ist Zeit, den Begriff des Service public zu entmystifizieren. Die stetig wachsenden Infrastrukturkosten verlangen höhere Effizienz. Doch Effizienz lässt sich nicht per Dekret verordnen. Vielmehr braucht es Wettbewerb und privates Engagement – das gilt auch beim Service public.

Dieser Artikel erschien in der «Zürcher Wirtschaft» vom 19. April 2012.
Siehe dazu auch: Warum es weniger Staat und mehr Wettbewerb braucht und Viele Märkte sind noch nicht wirklich geöffnet.