Im September 2011 wurde die Fixierung einer Untergrenze für den Wechselkurs des Frankens gegenüber dem Euro durch die Schweizerische Nationalbank (SNB) einhellig begrüsst. In den vergangenen Tagen scheint dieser Konsens brüchig geworden zu sein. Einzelne Politiker, Wirtschaftsvertreter und Professoren plädieren mit dem Hinweis auf die langfristigen Kosten entweder für den Verzicht auf die Mindestkursfixierung oder doch wenigstens für eine sukzessive Aufwertung des Frankens gegenüber dem Euro.

Der Druck auf den Franken bleibt stark

Gedacht wird, technisch ausgedrückt, an einen «Crawling Peg», bei dem der Frankenkurs in Trippelschritten angepasst würde. Zur Diskussion steht auch, die Untergrenze des Frankens nicht gegenüber dem Euro, sondern gegenüber einem Währungskorb festzulegen. Es trifft zwar zu, dass die Exportwirtschaft seit dem Beginn der Frankenhausse ihre Widerstandskraft und Anpassungsfähigkeit eindrücklich demonstriert hat. Es stimmt auch, dass die Abweichung des Frankenkurses von der Kaufkraftparität kleiner wird, weil sich die Inflationsdifferenzen zum Euro zu Gunsten der Schweiz entwickeln. Dennoch kommen die Vorstösse zu einem denkbar ungeeigneten Zeitpunkt.

Erstens haben sich die Spannungen im Euroraum – nach einer kurzen Erholung im Anschluss an die langfristige Finanzierungsoperation der Europäischen Zentralbank (EZB) – in einem Ausmass verstärkt, das zu grossen Sorgen Anlass gibt. Griechenland rückt täglich dem Abgrund näher. Die Anzeichen mehren sich, dass nun Spanien unter dem Rettungsschirm Zuflucht suchen muss. Entsprechend verstärkt sich die Flucht in sichere Anlagen; die rekordtiefen Renditen auf schweizerischen Staatsobligationen beweisen es. Zudem steigt die Volatilität auf den Finanzmärkten, was zum Beispiel durch die heftigen Kursschwankungen an den Aktienbörsen veranschaulicht wird.

In dieser volatilen Situation wäre es naiv zu glauben, die Finanzmärkte würden den Verzicht auf die Untergrenze gelassen und mit verständnisvollem Nicken für die dahinter stehende ökonomische Logik hinnehmen. Viel wahrscheinlicher wären Spekulationswellen, die den Frankenkurs wieder auf die im vergangenen Sommer erreichten Höhen hinauftreiben würden. Auch eine Aufwertung des Frankens in kleinen Schritten würde die Marktteilnehmer nicht beruhigen.

Vom unerwartet positiven Wachstum des schweizerischen Bruttoinlandprodukts (BIP) von 0,9% im zweiten Quartal 2012 sollte man sich nicht täuschen lassen. Es war konsumgetrieben, und der Konsum ist in der Regel ein nachhinkender Indikator. Hinzu kam der starke Lageraufbau, der das Wachstum zwar kurzfristig positiv beeinflusst, aber ebenfalls keine Nachhaltigkeit erwarten lässt. Die Exporte waren keine Wachstumsstütze, im Gegenteil. Vorlaufende Indikatoren künden eine spürbare Abschwächung der Auslandnachfrage an, was angesichts der Rezession im Euroraum nicht erstaunt. Die Ertragslage der exportorientierten Unternehmen wird sich weiter verschlechtern. Ihre Bedenken dürfen deshalb nicht in den Wind geschlagen werden.

Subventionen sind schlimmer als Devisenmarktinterventionen

Dazu kommt ein weiterer, aus politökonomischer Sicht relevanter Punkt. Wenn die SNB eine Frankenaufwertung gegenüber dem Euro wieder zulässt, werden unweigerlich politische Forderungen nach einer Stützung der unter Druck geratenen Exportwirtschaft laut. Direkte Subventionen, Steuerbefreiungen für gewisse Branchen und ähnliche Vorschläge werden aus der Mottenkiste gezogen. Einmal als temporäre Entlastung und gut gemeinte Überbrückungshilfe eingeführte Massnahmen erweisen sich meistens als langlebige. Strukturverzerrungen und verzögerter Strukturwandel sind die Folge. Das ist ordnungspolitisch fragwürdig und führt zu langfristigen Schäden, die möglicherweise gravierender sind als die Kosten von Devisenmarktinterventionen.

Schliesslich ist zu betonen, dass das Nachdenken über geldpolitische Strategien und den geeigneten Zeitpunkt für den Ausstieg aus der Politik der Mindestkurssetzung nicht verboten, sondern nötig ist. Wenn sich aber selbst die in aller Regel zurückhaltende BIZ über das Ausmass der Unsicherheit besorgt zeigt, wäre Schweigen vielleicht tatsächlich besser als Reden. Schnellschüsse im heutigen extrem volatilen Umfeld schwächen aber die Position der SNB vor allem dann, wenn sie von Politikern abgefeuert werden, die stets mit Ratschlägen zur Hand sind. Rasch kann der Eindruck aufkommen, dass an der Unabhängigkeit der Notenbank gerüttelt wird. Auf den Finanzmärkten bleibt das nicht ohne Wirkung. Allerdings sollte auch die SNB nicht Öl ins Feuer giessen, indem sie laut über die mögliche Einführung von Kapitalverkehrskontrollen nachdenkt.