Die Interessengemeinschaft Stadt am See hat die Fusion der Gemeinden Goldach, Rorschach und Rorschacherberg in der nächsten Amtsperiode zum Ziel. Der Direktor von Avenir Suisse, Gerhard Schwarz, hinterfragt ihre Thesen aufgrund einer Studie zur Gemeindeautonomie in der Schweiz.

«Grösse gibt uns Gewicht» – «Gleiche Leistung für weniger Geld»: Das sind Kernaussagen der IG für eine Fusion der Gemeinden im Kern der Region Rorschach. Der Direktor von Avenir Suisse, der Denkfabrik der Wirtschaft, legt an der IG-Jahresversammlung aber dar, dass das nicht automatisch gilt. Grösse allein verleihe kein Gewicht, und zur finanziellen Wirkung von Gemeindefusionen gebe es widersprüchliche Studien, sagt Gerhard Schwarz.

Fusion wirkt nicht automatisch

Daraus lässt sich ableiten, dass die IG noch ein grosses Feld bearbeiten muss: konkrete Massnahmen, mit denen die Gemeinden ihr Potenzial vereint besser nutzen können.

Die IG tagt am 13. Geschoss des noch im Bau stehenden Hochhauses im Stadtwald. Von dort sieht man auf die ganze Stadt am See und über sie hinaus. Und Gerhard Schwarz blickt auf weitere Thesen der IG. Zu «Verkehr kennt keine Gemeindegrenzen» merkt er an, dass dieser auch an den Grenzen der Stadt am See nicht endet. Deshalb habe auch regionale Zusammenarbeit in Zweckverbänden mit unterschiedlichem Einzugsgebiet je nach Thema trotz ihrer Kompliziertheit gelegentlich Vorteile – sofern die direkte Mitbestimmung der Bürger gewahrt werde.

«Autonomie oft Illusion»

Der Direktor von Avenir Suisse befasst sich auch kritisch mit Argumenten gegen Gemeindefusionen. Autonomie oder «näher dem Bürger» sei eine Illusion, wenn eine Gemeinde Leistungen nach heutigen Anforderungen nicht mehr erbringen könne, deshalb immer mehr regionalisiert oder beim Kanton zentralisiert werde.  Gemeindefusionen könnten Zentralisierung bremsen. Und lokale Identität lasse sich auch in fusionierten Gemeinden bewahren. Weiter stimmten in der veralteten Gemeindestruktur Besteller, Bezahler udn Nutzer oft nicht mehr überein. Das bewirke besonders in Agglomerationen falsche oder zu teure Leistungen. Auch hier könne Fusion Abhilfe schaffen.

Zu ehrgeiziger Zeitplan?

Die IG lud Gerhard Schwarz ein, die «Gemeindeautonomie zwischen Illusion und Realität» von Avenir Suisse zu erläutern. Mit Erkenntnissen aus der Studie und Worten des neuen Rektors der ETH Zürich mahnte er auch, Geduld zu haben. Fusionen dauerten meist viel länger, als Ambitionierte anstrebten.

Die IG will aber rasch vorankommen. Präsident Stefan Schneider stellte an der vorgängigen Mitgliederversammlung ein Programm des Vorstandes vor, mit welchem die Fusion von Goldach, Rorschach und Rohrschacherberg in der nächsten Amtsperiodebis 2016 erreicht werden soll. Bisher rief die IG besonders die Behörden auf, dieses Ziel zu verwirklichen. Jetzt strebt sie eine Bewegung in der Bevölkerung an. Von dieser getragen, soll eine Initiative zur Fusion führen. Die IG beachtet damit eine weitere Erkenntnis aus Studien: Für Erfolg muss eine Gemeindefusion von unten, aus der Bürgerschaft, kommen, nicht von Behörden.

 Dieser Artikel erschien im St.Galler Tagblatt vom 30 August 2012.