Voraussichtlich 2013 werden die Schweizer Stimmbürger über den Ersatz respektive Neubau von Kernkraftwerken (KKW) abstimmen. Bei den Debatten um neue Kraftwerke stehen zwei Aspekte im Mittelpunkt: Versorgungssicherheit und Strompreise. Während die Vorteile für die Versorgungssicherheit vielen einleuchten, sind die Wirkungen neuer Kernkraftwerke auf den Strompreis weit weniger offensichtlich. Zwar gelten fürKunden in derGrundversorgung grundsätzlich die Gestehungskosten als Preisbasis, doch für Grosskunden im Markt sind die Marktpreise relevant. Und mit einer vollständigen Marktöffnung würden die marktbasierten Preise mittelfristig auch für kleinere Kunden gelten. Wie aber kommen diese zustande, und wie profitieren Schweizer Kunden im liberalisierten Markt von (möglicherweise) tieferen Gestehungskosten neuer KKW?

Internationale Preisbildung

Der Strommarkt ist längst kein nationaler Markt (mehr). Ähnlich wie Gas und Öl wird Strom über die Grenzen gehandelt. Je nach Jahreszeit können knappe Grenzkapazitäten den Handel zwar beschränken, auf der andern Seite gibt es aber keine Zölle. Die Folge ist eine Konvergenz der Schweizer Grosshandelspreise mit jenen in den Nachbarstaaten.Wie in jedem (freien) Markt bestimmen grundsätzlich Angebot und Nachfrage den Preis. DasAngebotwird durch die variablen Kosten des von den Produzenten angebotenen Stroms bestimmt. In Europa sind es in erster Linie die variablen Kosten fossiler Kraftwerke, welche die Preise diktieren. Und weil der Strommarkt nicht an den Landesgrenzen Halt macht, gilt das auch für die Schweiz – obschon hier Kernund Wasserkraftwerke dominieren. Je nach HöhederKohle-, Gas- undCO2-Zertifikatspreise ist das für Schweizer Stromproduzenten und -konsumenten ein Vor- oder auch ein Nachteil. Bereits heute richtet sich der Schweizer Strompreis im Börsenhandel an jenem in Deutschland oder Italien aus (vgl. die Abbildung). Während in den Sommermonaten das (tiefere) deutsche Preisniveau relevantist, steigt der Preis in den Wintermonaten auf das höhere italienische Niveau. Dort bestimmen häufig ältere und ineffizientere fossile Kraftwerke den Preis. Ausserdem sind die Gaspreise in Italien höher als im Norden, was sich auf den Strompreis auswirkt. Die Schweiz übernimmt die hohen italienischen Preise vor allem dann, wenn sie in den wasserarmen Wintermonaten zum Stromimporteur wird. Dann nämlich konkurriert die Schweiz mitItalien um den günstigeren Strom aus dem Norden.

Geringer Einfluss der Schweiz

Grösse und Struktur des schweizerischen Kraftwerkparks vermögen den Marktpreis nur begrenzt zu prägen. Die tiefen variablen Kosten von Kernkraftwerken bestimmen den inländischen Strompreis eben nicht – Kernkraftwerke sind so etwas wie «Preisnehmer». Dennoch könnten sie im spezifischen Schweizer Kontext einen Einfluss auf den Marktpreis haben. Neue Kernkraftwerke würden nämlich den Importbedarf an Strom und damit auch den Druck auf die Schweizer Strompreise reduzieren, sich dem höheren italienischen Preisniveau anzupassen. Das setzt allerdings einen anhaltenden Preisunterschied zwischen Nord- und Südeuropa voraus. Sollten sich die regionalen Gaspreise und die Kraftwerkstrukturen in Europa aber längerfristig angleichen (was nicht unwahrscheinlich ist), dann werden Kernkraftwerke im Inland die Schweizer Preise nicht beeinflussen – der inländische Markt ist dafür zu klein.