Man könnte einen Grossteil der olympischen Infrastruktur auch ausserhalb der Austragungsorte St. Moritz/Davos bauen - z.B. in Chur. Bildquelle: Wikimedia Commons

Man könnte einen Grossteil der olympischen Infrastruktur auch ausserhalb der Austragungsorte St. Moritz/Davos bauen – z.B. in Chur. Bildquelle: Wikimedia Commons

Entscheidend für die Kosten-Nutzen-Bilanz sportlicher Grossereignisse für das Gastland ist die Vermeidung teurer «Infrastrukturleichen», also grosser Anlagen und Bauten, für die es anschliessend keine sinnvolle Nutzung gibt. Im Falle einer Kandidatur für die Olympischen Winterspiele 2022 möchte man in Graubünden derartige Kosten minimieren – indem man vergleichsweise kleine Spiele plant und in grossem Umfang temporäre Bauten vorsieht, die sich nach den Spielen rückbauen bzw. demontieren und weiterverkaufen liessen.

Dieses Vorgehen ist sinnvoll, aber auch temporäre Bauten sind teuer. Erste Schätzungen taxieren die Kosten für temporäre Bauten in den Austragungsorten Davos und St. Moritz auf etwa eine Milliarde Franken. Noch besser wäre es daher, eine sinnvolle Nachnutzung zu finden und diesbezüglich wäre eine konkrete Möglichkeit näher zu prüfen: Man könnte den Hauptstandort für das Olympische Dorf in Chur errichten, mit Dependancen in Davos und St. Moritz. In Chur liesse sich das Olympische Dorf möglicherweise so konzipieren, dass es anschliessend als zentraler Campus für die Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) genutzt werden könnte. So liesse sich ein alter Wunsch verwirklichen, nämlich die verstreuten Standorte der HTW-Chur auf einem zentralen Campus zusammenzuführen.

So könnten etwa die Schlafquartiere für Sportler als Studentenwohnheime dienen, die Kantinen und Trainingsräume der Olympiateilnehmer könnten von Hochschulangehörigen weitergenutzt werden, aus den Räumlichkeiten des Medienzentrum würden Hörsäle und studentische Arbeitsräume. Sowohl ein Olympisches Dorf wie auch eine Hochschule benötigen einen Campus mit kurzen Wegen. In der Nähe des Stadtzentrums von Chur finden sich Kasernenareale und ein Waffenplatz der Armee, die sich unter Umständen für eine Umnutzung eignen würden. Da der Verteidigungsminister gleichzeitig auch Sportminister ist, liesse sich hier vielleicht eine einvernehmliche Lösung finden.

Durch eine solche Konversion liessen sich nicht nur «Infrastrukturleichen» vermeiden, sondern man würde auch einem anderen olympischen Anspruch gerecht, nämlich dem Schaffen einer «Legacy» (Vermächtnis). Die Stärkung des Hochschulstandorts Chur würde der Abwanderung junger Bündner ins Unterland entgegenwirken, es würde den Industriecluster im Alpenrheintal durch Bereitstellung qualifizierter Arbeitskräfte stärken und es könnte die Stadt Chur städtebaulich aufwerten. Solche nachhaltigen Standorteffekte würden die Kosten-Nutzen-Bilanz der Olympischen Spiele deutlich verbessern. Dafür sollte man auch kurzfristige Nachteile, wie eine erschwerte Logistik während der Spiele, in Kauf nehmen.

Bei der Nutzung der Olympia-Infrastruktur für Hochschulzwecke könnte man theoretisch noch einen Schritt weitergehen: Im Rahmen der Vorbereitungen für die Olympia-Kandidatur wurde die Schaffung einer «Swiss Alpine University» als Projektidee vorgeschlagen. Für eine solche alpine Universität wären neben einem Hauptcampus in Chur auch Nebenstandorte in Davos und St. Moritz denkbar. Man sollte also prüfen, ob sich auch die Dependancen des Olympischen Dorfs und des Medienzentrums in Davos und St. Moritz so konzipieren liessen, dass sie anschliessend als (kleinere) Hochschulareale nutzbar wären.

Eine Umnutzung von Olympischer- in Universitätsinfrastrukturen gab es übrigens auch schon bei früheren Olympischen Spielen, etwa in London, Peking, Atlanta und Lillehammer.