Die Idee der «Altersvorsorge 2020» von Bundesrat Alain Berset hat beim ersten Anblick durchaus Charme. Die Reform zweier Sozialversicherungen – der AHV und der beruflichen Vorsorge – in einer Vorlage ist innovativ. Die parallele Behandlung zweier brisanter Dossiers eröffnet neue Verhandlungsoptionen für eine verfahrene Diskussion. Man spielt somit gleichzeitig auf zwei Schachbrettern, wo Bauernopfer in einem Spiel durch Gewinne auf dem anderen Brett kompensiert werden können. Der Preis ist allerdings eine explodierende Komplexität der politischen Debatte. Dadurch ist die Gefahr gross, dass sich das Parlament in jahrelangen Verhandlungen verliert und die notwendigen Reformen zu spät greifen.

Nach dem Plan des Bundesrats soll die Bevölkerung über die gesamte Vorlage 2018 abstimmen können, damit sie 2020 in Kraft treten kann. Was intuitiv lang erscheint, ist eigentlich ein sehr sportlicher Zeitplan, wie ein Vergleich mit früheren Sozialreformen verdeutlicht. So hatte der Bundesrat 2005 den Auftrag für eine «AHV-Revision light» gegeben, in der Hoffnung, rasch eine Mehrheit für die 11. Revision zu gewinnen. Fünf Jahre später scheiterte jedoch die Vorlage im Parlament. Nebst inhaltlichen Differenzen spielten dabei wahltaktische Überlegungen eine nicht unwesentliche Rolle. Manche Parlamentarier wollten ein Referendum im Wahljahr 2011 à tout prix vermeiden. Die Vorlage zur Senkung des Mindestumwandlungssatzes ging schneller durch das Parlament. Allerdings war die Materie, technisch gesehen, einfacher. Somit konnten beide Kammern vier Jahre nach dem Bundesratsauftrag die Gesetzesvorlage verabschieden. Sie scheiterte jedoch ein Jahr später in einem Referendum vor dem Volk.

Es ist also schwer einzusehen, warum die kombinierte Vorlage «Altersvorsorge 2020», die sowohl von der Materie wie vom Umfang her viel komplexer ist, schneller als die gescheiterte 11. AHV-Revision durch das Parlament kommen soll. Darüber hinaus zieht sich der angeschlagene Kurs über zwei Legislaturperioden. Die ersten parlamentarischen Debatten werden voraussichtlich 2015 stattfinden, mitten in einem Wahljahr, was mutige Entscheide nicht gerade fördert. Verzögern sich dadurch die parlamentarischen Debatten, so könnte auch die geplante Volksabstimmung von 2018 auf 2019, wiederum ein Wahljahr, verschoben werden.

Deshalb drängt sich eine Aufteilung in zwei Reformpakete auf. Das erste sollte dringende Massnahmen enthalten, die die nachhaltige und generationsgerechte Finanzierung unserer Vorsorgewerke sichert. Im zweiten Paket sollten tiefgreifende strukturelle Themen angepackt werden, die auf die ersten Reformschritte aufbauen. Dabei muss beachtet werden, dass beide Pakete ausgewogen sind. So soll eine Schuldenbremse in der AHV eine Opfersymmetrie beinhalten. Erreicht zum Beispiel der AHV-Fond einen bestimmten Schwellenwert, so müssen Massnahmen ausgelöst werden, die sowohl Mehreinnahmen (z.B. eine zeitlich befristete Erhöhung der Mehrwertsteuer) als auch Leistungsreduktionen (z.B. eine zeitlich limitierte Sistierung der Rentenindexierung an der Teuerung) hervorrufen. In der beruflichen Vorsorge könnte eine Senkung des Umwandlungssatzes mit der Abschaffung des Koordinationsabzuges kompensiert werden.

Ohne zeitliche Staffelung ist die Gefahr gross, dass die Reformen zu spät greifen. Die Altersvorsorge, allen voran die AHV, wird bis dann Milliarden Franken Verluste schreiben. Das engt den Verhandlungsspielraum der Politik stark ein und die Zeit für sinnvolle Kompromisse wird fehlen. Nimmt sich die Politik weniger vor, kann sie mehr für ihre Bürger erreichen.

Dieser Artikel erschien in der April-Ausgabe 
des Magazins «Schweizer Versicherung».