Die Mobilitätsnachfrage in der Schweiz hat sich in den letzten Jahren vom Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum entkoppelt. Während die Bevölkerung zwischen 2000 und 2011 um 10% wuchs und das Bruttoinlandprodukt (real) um 21%, stieg die Fahrleistung auf den Nationalstrassen doppelt so schnell (um 41%), und die auf der Schiene gefahrenen Personenkilometer nahmen sogar um 54% zu. Grund dafür sind drei Strukturfehler der Schweizer Verkehrspolitik:

  1. Die umfangreiche Subventionierung des Verkehrs mit Steuergeldern, die die Nachfrage zusätzlich anheizt. So liegt der Kostendeckungsgrad im Schienenverkehr bei nur 41%.
  2. Die fehlende Differenzierung der Preise. Während die Züge zu Stosszeiten überfüllt sind, beträgt die durchschnittliche Sitzplatzauslastung der SBB im Regionalverkehr nur 20% und im Fernverkehr 32%. Auch die Strassen sind sehr ungleichmässig ausgelastet.
  3. Die Politisierung der Investitionsentscheide, durch die Milliardenbeträge fehlgeleitet werden. Während sich auf den Hauptachsen des Nationalstrassennetzes der Verkehr staut, werden in kaum befahrene Nebenstrecken rund 9 Mrd. Fr. investiert.

Die Lösung für diese Strukturfehler liegt im «Mobility Pricing», also der Anwendung marktwirtschaftlicher Preismechanismen im Verkehr. Dies bedeutet einen höheren Grad an Benutzerfinanzierung, eine stärkere Preisdifferenzierung nach Zeiten und Strecken sowie Investitionsentscheide, die auf Kosten-Nutzen-Erwägungen basieren, nicht auf einem föderalen Wunschkonzert. Mobility Pricing ist keine Technologie, sondern ein ökonomisches Prinzip, und bedeutet möglichst grosse Kostenwahrheit – ein Prinzip, das sonst grosse Zustimmung geniesst.

Das Diskussionspapier zeigt anhand von Fallstudien, dass Mobility Pricing in vielen Ländern praktiziert wird und sich bewährt. So erhebt etwa Österreich mit seinen sechs alpenquerenden Strecken eine Maut bei Tunneln von mehr als 5 Kilometern Länge. In der Schweiz bietet sich der Gotthard-Tunnel als Pilotprojekt für eine Tunnel-Maut an; so liesse sich nicht nur die Sanierung finanzieren, sondern es könnten auch Staus reduziert werden. Die Verkehrsüberlastung in Städten wie Zürich oder Genf wiederum könnte durch eine City-Maut gelindert werden. Ein Vorbild ist Stockholm, wo eine solche Gebühr 2006 eingeführt wurde. Dass Mobility Pricing auch in der Schweiz bereits funktioniert, zeigt die «Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe» (LSVA). Diese LKW-Maut brachte seit 2001 Einnahmen von 14 Milliarden Franken, die nun für Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur zur Verfügung stehen.

Im ÖV hätte die Erhöhung der Preise während der Rushhour und auf überlasteten Strecken Priorität, etwa zwischen Zürich und Bern. Längerfristig wäre die Abschaffung des GA sinnvoll, denn diese «Flat-Rate» schafft Anreize für Überkonsum. Ein erster Schritt wäre der Ersatz des Senioren-GA durch ein vergünstigtes «Talzeiten»-GA, das nur ausserhalb der Stosszeiten gültig ist. Zudem sollte der Kostendeckungsgrad im Schienenverkehr erhöht werden, z. B. auf 60% bis 2030.

Das Diskussionspapier zeigt, dass Mobility Pricing machbar ist und weder Schiene noch Strasse bevorzugen sollte. Es zeigt auch, dass die Prinzipien des Mobility Pricing schrittweise eingeführt werden können. Mobility Pricing würde die Mobilitätsnachfrage dämpfen, eine bessere Kapazitätsauslastung gewährleisten, Staus reduzieren, die enormen Kosten des Verkehrssystems verringern und für mehr Fairness sorgen, denn wer Mobilität konsumiert, sollte sie auch bezahlen.

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