Österreich erhält eine unabhängige Denkfabrik. Das ist für das Land auch darum eine Novität, weil es kaum Würdenträger, Institute oder Institutionen gibt, die nicht irgendeiner Partei oder einem Verband zugeordnet werden können. Die mit der Hilfe der helvetischen Schwesterorganisation Avenir Suisse aus der Taufe gehobene Agenda Austria sieht sich selbst als eine von Staat, Parteien, Kammern und Interessenverbänden unabhängige, aber trotzdem nicht neutrale Denkfabrik.

Wie deren Leiter, der frühere Chef der Wirtschaftsredaktion der Tageszeitung «Die Presse», Franz Schellhorn, bei der Präsentation erklärte, fühlt man sich der Marktwirtschaft, sonst aber niemandem verpflichtet. Finanziert wird Agenda Austria ausschliesslich aus privaten Mitteln, das Budget beträgt pro Jahr 1 Mio. €.

Die Namen der Geldgeber sollen Ende Jahr veröffentlicht werden. Derzeit hätten sich zwölf Unternehmen, sechs Privatpersonen und eine Privatstiftung für jeweils drei Jahre verpflichtet. Organisiert ist Agenda Austria als Verein. Dem für die Qualitätssicherung zuständigen wissenschaftlichen Beirat gehören etwa Karlheinz Paque von der Universität Magdeburg, Rainer Münz vom HWWA und Gerhard Schwarz von Avenir Suisse an. In Abstimmung mit der Schweizer Schwester-organisation wurde als Einstand ein «Handbuch zur intellektuellen Selbstverteidigung» präsentiert, in dem mit sieben «wirtschaftspolitischen Mythen» aufgeräumt wird.

Gleich bei der Widerlegung des ersten Mythos wird es grosser Überzeugungsarbeit bedürfen, ist doch ein Grossteil der Österreicher den gehirnwäscheartigen Kampagnen der «Austro-Keynesianer» auf den Leim gekrochen. Diese sind der Meinung, dass der Staat «kaputtgespart» und die Sozialwerke der Wirtschaft geopfert werden, auch wenn die Ausgaben des Staates in den vergangenen zehn Jahren immer gewachsen sind.

Ähnlich verhält es sich beim Mythos, gemäss dem sich in Österreich die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter öffnet. Für Arbeitnehmervertreter und Sozialdemokratie gibt es nur einen Massstab. Sie messen alles anhand der Verteilungsgerechtigkeit. Dies, obwohl viele Statistiken und Grafiken belegen, dass in keinem Land der EU so radikal umverteilt wird wie in Österreich. Die dicksten Bretter wird Agenda Austria aber beim Föderalismus bohren müssen.

Dieser Artikel erschien in der «Neuen Zürcher Zeitung» vom 26. August 2013. 
Mit freundlicher Genehmigung der «Neuen Zürcher Zeitung».