Der Kanton Bern ist in den Augen der Finanzausgleich-Geberkantone ein Fass ohne Boden. Lukas Rühli über den Ärger der Geberkantone Zug und Schwyz.

Stefan Barmettler: Bewährt sich der nationale Finanzausgleich?

Lukas Rühli: Grundsätzlich ja. Es ist ein modernes System, das vielen Kantonen als Vorbild für die Reform ihres Finanzausgleichs auf interkommunaler Ebene dient. Es werden keine effektiven Einnahmen und Ausgaben mehr kompensiert, sondern das Ressourcenpotenzial und exogene, also durch die Kantone nicht direkt beeinflussbare Sonderlasten.

Werden nicht dünn besiedelte Kantone bevorteilt?

Doch. Nur: Die dezentrale Besiedlung ist ein in der Bundesverfassung verankertes Konzept. Problematisch ist allenfalls die Tatsache, dass sich Leistung gerade für arme Kantone aufgrund des Ressourcenausgleichs kaum lohnt. Ein Grossteil eines allfälligen Zuwachses ihres Ressourcenpotenzials würde durch den Wegfall von Zuschüssen aus dem Finanzausgleich zunichte gemacht.

In Zug und in Schwyz regt sich Widerstand gegen die Zahlungen von 275 respektive 132 Millionen Franken. «Die Solidarität stösst an ihre Grenzen», sagt der Schwyzer Regierungsrat. Ihre Meinung?

Der Widerstand ist nachvollziehbar, inhaltlich aber schlecht begründet. Auch nach dem Finanzausgleich gehören Zug und Schwyz zu den ressourcenstärksten Kantonen.

Ab 2014 werden 20,5 Prozent der Ressourcenvorteile der Geberkantone abgeschöpft. Die Belastung steigt weiter.

In der Tat ist dieser Prozentsatz angestiegen, von ursprünglich 18 Prozent. Dass die Geberkantone darüber nicht erfreut sind und Massnahmen zur Beschränkung fordern, ist verständlich.

Der Kanton Bern hat in jüngster Zeit Steuersenkungen durchgeführt – gleichzeitig steigt der Transfer aus dem nationalen Finanzausgleich – von 863 Millionen (2009) auf 1,231 Milliarden Franken.

Ja und? Dass endlich Steuern gesenkt werden, ist ein sehr gutes Zeichen. Wer kritisiert, dass ein Empfängerkanton seine Steuern senkt, verkennt das Wesen eines modernen Finanzausgleichs. Dieser gleicht ja Ressourcenpotenziale aus, nicht tatsächliche Steuereinnahmen. Mit seinen Steuersenkungen versucht Bern, sein Ressourcenpotenzial zu erhöhen.

Also ist das sinnvoll?

Absolut. Sie sollten allerdings mit Kostenreduktionen auf der Ausgabenseite verbunden sein, um langfristig finanzierbar zu bleiben. Würde dies Bern wirklich gelingen, sänken endlich die Finanzausgleichszahlungen wieder und die anderen Kantone müssten weniger über den «faulen» Kanton Bern klagen. Es ist sehr wichtig, zu sehen, dass Steuersenkungen eben genau nicht durch den Finanzausgleich finanziert werden.

Der Kanton Bern hat Sparpotenzial?

Es steht ausser Frage, dass der Kanton Bern in vielen Bereichen deutliches Sparpotenzial hat. Dies als Grund für die Verringerung der Zuschüsse aus dem Finanzausgleich zu sehen, halte ich aber für verfehlt. Der Sinn des Finanzausgleichs ist die zweckfreie und bedingungslose Auszahlung an die Kantone. Damit wird die Kantonssouveränität besser gewährleistet als mit den früheren zweckgebundenen, verworrenen Zahlungen.

Dieser Artikel erschien am 03. Oktober 2013 in der «Handelszeitung».
Mit freundlicher Genehmigung der «Handelszeitung».