Unter den vielen technischen Fortschritten der letzten 1oo Jahre haben wohl wenige das Leben der Menschen stärker verändert als die billige Mobilität. Sowohl im Kleinen (etwa in der täglichen Fahrt zur Arbeit oder im Ausgang) als auch im Grossen (die Ferien in Übersee) gehört Mobilität heute in den reichen Staaten des Nordens zur Grundausstattung und eine Sättigung scheint noch nicht erreicht, im Gegenteil: Die Mobilitätsbedürfnisse steigen dank eines massiv subventionierten Angebots immer weiter. Aus diesem Teufelskreis gilt es auszubrechen, denn der permanente Kapazitätsausbau stösst sowohl an finanzielle als auch an technische und ökologische Grenzen.

Avenir Suisse plädiert seit langem für mehr Kostenwahrheit und die Anwendung des Verursacherprinzips im Verkehr, zuletzt in dem Buch «Ideen für die Schweiz. 44 Chancen, die Zukunft zu gewinnen» (Schwarz und Meister, 2013). Das Schlagwort dafür lautet «Mobility Pricing». Es geht uns dabei im wesentlichen um fünf Kernbotschaften:

  1. Mobility Pricing ist machbar. Es ist längst nicht mehr ein Konzept aus der Studierstube abgehobener Theoretiker, sondern wird vielerorts konkret umgesetzt und funktioniert. Das zeigen verschiedene Fallstudien. Natürlich gibt es Licht- und Schattenseiten, doch der Saldo ist nach unserer Überzeugung positiv.
  2. Mobility Pricing ist verkehrsträgerneutral. Es ist nicht so, dass der Strassenverkehr wegen der kaum berücksichtigten externen Kosten für den Nutzer viel zu billig ist, der öffentliche Verkehr dagegen seine Kosten voll trägt. Privater wie öffentlicher Verkehr werden beide direkt oder indirekt stark subventioniert. Mobility Pricing will daher alle, die Mobilität konsumieren, die Kosten dieses Konsums direkt spüren lassen.
  3. Mobility Pricing ist kein technisches Konzept. Wer in erster Linie an Lichtschranken am Eingang zur Innenstadt denkt, an Mautstationen vor Tunneleinfahrten oder an komplizierte elektronische Ticketing-Systeme, verkennt, dass es hier vor allem um ein ökonomisches Prinzip geht, das Prinzip der Kostenwahrheit, verbunden mit dem Grundsatz, dass Verkehrspolitik besser funktioniert, wenn sie auf Anreizen basiert statt auf Vorschriften und auf Beton. Natürlich können technische Entwicklungen helfen, aber im Zentrum steht schlicht die Benutzerfinanzierung: Wer Mobilität konsumiert, soll sie auch bezahlen.
  4. Mobility Pricing kann schrittweise eingeführt werden. Obwohl es viele Beispiele von Mobility Pricing in der Praxis gibt, wurde es bisher nirgendwo integral und flächendeckend umgesetzt. Man kann es sehr wohl inkrementell einführen. Ein Big Bang würde dagegen vermutlich den Widerstand ganz vieler, unterschiedlich ausgerichteter Gruppen provozieren. Wer Mobility Pricing will, sollte kleine und grössere Experimente nicht scheuen.
  5. Mobility Pricing ist fair. Der Vorwurf, das System benachteilige all jene, die von Berufes wegen pendeln müssen, ist zwar immer wieder zu hören, wird dadurch aber nicht richtiger. Tatsache ist, dass die Kosten des Pendelns heute zum (oft kleineren) Teil von den Pendlern selbst direkt bezahlt werden, zum Teil von eben diesen Pendlern indirekt über die Steuern, die sie zahlen, und zum Teil von allen anderen, die nicht pendeln, ebenfalls über die Steuern. Differenzierte Preise und Tarife je nach Auslastung und Kostenstruktur sind in vielen Branchen längst gang und gäbe. Warum sollte das beim Verkehr anders sein?

Wir sind überzeugt, dass die Kostenwahrheit im Verkehr zu den wichtigen Zukunftsthemen gehört. Jenen Ländern, die dieses Thema rechtzeitig angehen und sich, auch wenn es zunächst schmerzt, in Richtung Mobility Pricing bewegen, wird dies mittelfristig zugute kommen. Avenir Suisse will mit der vorliegenden Zusammenstellung einen Beitrag dazu leisten, dass diese Bewegung hierzulande an Fahrt gewinnt.

Dieser Artikel erschien in der Sonderbeilage «Der Preis ist der Weg» 
des «Schweizer Monat» (Oktoberausgabe) unter dem Titel «Mobility Pricing».
Mit freundlicher Genehmigung des Schweizer Monats.