Die Subventionierung erneuerbarer Energien in Europa verzerrt die Strommärkte und stellt die Wirtschaftlichkeit konventioneller Kraftwerke in Frage. Verschiedene Länder erwägen daher, Kapazitätsmechanismen einzuführen, die eine separate Abgeltung für die Bereitstellung von Back-up-Kraftwerken vorsehen. Auch in der Schweiz werden derartige Marktdesign-Veränderungen diskutiert. Doch für ein kleines Land mit hohem Anteil Stromimporte und -exporte ist der Handlungsspielraum beschränkt. Die Schweiz sollte keinen Alleingang wagen und die Entwicklungen in Europa abwarten.

Bild 1 Übersicht über die Entwicklungen in Europa: In zahlreichen europäischen Ländern sind die Kapazitätsmechanismen bereits implementiert oder werden diskutiert.

Bild 1 Übersicht über die Entwicklungen in Europa: In zahlreichen europäischen Ländern sind die Kapazitätsmechanismen bereits implementiert oder werden diskutiert.

Die fallenden Strompreise im europäischen Grosshandel sind nicht nur eine Folge der Wirtschaftskrise, sondern auch der überbordenden Subventionierung von erneuerbaren Energien. Dadurch wird die Wirtschaftlichkeit von konventionellen Kraftwerken immer mehr in Frage gestellt. Doch genau diese Technologien sind im Sinne eines Back-up nötig, um die fluktuierende Produktion der erneuerbaren Energien auszugleichen. Verschiedene europäische Länder erwägen daher die Einführung sogenannter Kapazitätsmechanismen (Bild 1). Die Schweiz ist aufgrund ihrer engen Vernetzung mit den Nachbarländern und der hohen Relevanz des Stromhandels von den Entwicklungen in Europa direkt betroffen. Erstens «importiert» sie die Marktverzerrungen und preissenkenden Effekte von subventionierten Energien. Zweitens beeinflussen Kapazitätsmechanismen in Europa aufgrund der hohen Relevanz des Schweizer Stromaussenhandels das Preisgefüge und die Wirtschaftlichkeit von Kraftwerken im Inland. Avenir Suisse publizierte im April 2013 eine Studie zum Thema Kapazitätsmärkte. Sie diskutiert die Notwendigkeit und die Erfahrungen mit Kapazitätsmechanismen und analysiert die Handlungsoptionen für die Schweiz vor dem Hintergrund der Entwicklungen in Europa.

Verschärfung des «Missing Money Problem»

Basiert ein Strommarkt ausschliesslich auf dem Handel von Energie, spricht man von einem «Energy-only-Market». Schon zu Beginn vieler Liberalisierungsprozesse gab es verbreitet Zweifel an der nachhaltigen Funktionsfähigkeit eines solchen Marktdesigns. Unsicherheit besteht vor allem bei der Frage, ob der Preismechanismus fähig ist, ausreichend Investitionsanreize für neue Kraftwerke zu schaffen. Im Marktgleichgewicht orientiert sich die Abgeltung des letzten eingesetzten Kraftwerks an dessen Grenzkosten. Für Anlagen im Bereich der Grund- und Mittellast besteht kein offensichtliches Investitionsanreiz-Problem. Sie erzielen über den höheren Marktpreis während Spitzenlastzeiten einen positiven Deckungsbeitrag. Kritischer ist die Situation bei Kraftwerken im Bereich der Spitzenlast, die relativ selten zum Einsatz kommen und kaum oder selten von Preisen profitieren, die über ihren Grenzkosten liegen – jedenfalls wenn ausreichend Kraftwerke zur Verfügung stehen und Wettbewerb herrscht. In der Theorie wird dieser Umstand als «Missing Money Problem» bezeichnet. Das heisst, es fehlt das Geld, um die (Fix-)Kosten dieser Kraftwerke zu decken. Man kann dagegen einwenden, dass der Markt dennoch fähig sein kann, die nötigen Investitionsanreize zu schaffen. Schliesslich impliziert die unelastische Stromnachfrage bei Angebotsknappheit am Markt besonders stark steigende Preise. Solche Knappheitspreise können sich – mindestens theoretisch – an den sehr hohen Kosten eines Stromausfalls orientieren und dabei das bis zu 100- oder gar 500-fache des üblichen Marktpreises erreichen. Sie wären fähig, die Kosten von Spitzenlastraftwerken mit nur wenigen Vollbenutzungsstunden zu decken. In der Praxis aber bestehen für den Investor hohe Risiken. Einerseits ist die Häufigkeit und die Höhe der Knappheitspreise schwer zu prognostizieren, anderseits könnten derart hohe Preise – auch wenn sie nur während einzelnen Stunden vorkommen – eine Intervention des Regulators provozieren. Das «Missing Money Problem» ist keine neue Erscheinung im Zusammenhang mit der Energiewende und der Subventionierung erneuerbarer Energien, doch wird es dadurch verschärft. Denn die Einspeisung von fluktuierendem Wind- oder Fotovoltaikstrom ohne variable Kosten schiebt die Angebotskurve (Merit Order) nach rechts, senkt die Preise – temporär gar auf null oder in den negativen Bereich – und drängt die konventionellen Kraftwerke immer häufiger ganz aus dem Markt, sodass ihre Vollbenutzungsstunden weiter sinken (Bild 2). Dennoch sind die konventionellen, steuerbaren Anlagen im Sinne eines Back-up nötig, damit sie Perioden mit wenig Wind und Sonne ausgleichen können.

Bild 2 Wind und Sonne lassen schon heute die Preise einbrechen: Zwischen der Produktion erneuerbarer Energien und dem Marktpreis besteht ein negativer Zusammenhang. Dies illustrieren die Preise im Spotmarkt (D, AT, CH) und die Produktion erneuerbarer Energien (D, AT) am 6. und 7. November 2012.

Bild 2 Wind und Sonne lassen schon heute die Preise einbrechen: Zwischen der Produktion erneuerbarer Energien und dem Marktpreis besteht ein negativer Zusammenhang. Dies illustrieren die Preise im Spotmarkt (D, AT, CH) und die Produktion erneuerbarer Energien (D, AT) am 6. und 7. November 2012.

Anpassungen am Marktdesign

In Europa wachsen daher die Zweifel an einer längerfristigen Vereinbarkeit von Energiewende und Energy-only-Markt. Vermehrt werden Veränderungen am Marktdesign gefordert, um Anreize für den Bau und Betrieb von konventionellen Back-up-Technologien zu schaffen. Diskutiert werden unterschiedliche Ansätze. Erstens könnten bestehende Instrumente aus- oder umgebaut werden. Dazu gehören eine Einspeisevergütung auch für konventionelle Kraftwerke oder eine Modifikation des Regelleistungsmarktes. Doch die beiden Ansätze überzeugen wenig. Die Einspeisevergütung schafft nicht nur verzerrende Produktionsanreize, sondern lässt sich grundsätzlich nicht mit einem liberalisierten Markt vereinbaren. Der Ausbau des Regelleistungsmarktes durch eine sogenannte Operative Reserve blieb bisher nur ein theoretisches Modell. Auch ist es fraglich, ob es fähig wäre, langfristige Investitionsanreize zu schaffen.

Zweitens kann das Marktdesign grundlegend angepasst werden, um der Kapazitätsbereitstellung einen eigenen Wert zu geben. Dabei wird von Kapazitätsmechanismen oder Kapazitätsmärkten gesprochen. Sie stellen kein Substitut, sondern eine Ergänzung des bestehenden Energiemarktes dar. Vor allem Kraftwerke, die relativ selten zum Einsatz kommen, sollen ihre Erträge nicht einzig aus dem Verkauf ihrer Energie, sondern auch aus der Bereitstellung ihrer Produktionskapazität erwirtschaften können. Kapazitätsmechanismen sind nicht nur ein Instrument für die Versorgungssicherheit, sondern auch zur Verhinderung von besonders hohen Knappheitspreisen am Markt. Die Konsumenten finanzieren diese «Versicherung» über einen Preisaufschlag (etwa auf dem Übertragungsnetztarif) und profitieren umgekehrt von durchschnittlich tieferen Energiepreisen am Markt.

Bild 3 Instrumente zur Förderung von Investitionsanreizen: Diese können durch die Modifikation von Einspeisevergütung und Regelleistungsbeschaffung oder durch die Einführung von Kapazitätsmechanismen geschaffen werden.

Bild 3 Instrumente zur Förderung von Investitionsanreizen: Diese können durch die Modifikation von Einspeisevergütung und Regelleistungsbeschaffung oder durch die Einführung von Kapazitätsmechanismen geschaffen werden.

Die Mechanismen sind nicht neu, sondern existieren in der einen oder anderen Form schon in zahlreichen Strommärkten. Eine einheitliche Kategorisierung gibt es nicht. Häufig wird zwischen preis- und mengenbasierten Mechanismen unterschieden (Bild 3). Bei den preisbasierten Mechanismen entscheidet eine zentrale Instanz über eine finanzielle Abgeltung (administrative Kapazitätszahlungen, strategische Reserve), bei den mengenbasierten Instrumenten entscheidet sie über die Kapazitäten, während sich der Preis dafür in einem Markt bildet (Kapazitätsverpflichtungen). Häufig werden lediglich die mengenbasierten Instrumente als Kapazitätsmärkte im engeren Sinn bezeichnet. Kapazitätsmechanismen können sich hinsichtlich der zeitlichen Dimension (Vorlaufzeit, Vertragsdauer), der relevanten Kraftwerke (Neu-/Altanlagen, ausgewählte Technologien) oder der Organisation (bilaterale Kontrakte, zentraler Markt, dezentrale oder zentrale Beschaffung durch Systemoperator) unterscheiden.

Verzerrungen durch Kapazitätsmärkte

Die relativ hohe Transparenz, die einfachen Strukturen und die geringen politischen Verzerrungen machen den Energy-only-Markt mindestens theoretisch zu einem bevorzugten Marktmodell. Sollte dieses – aufgrund politischer Verzerrungen wie Preisregulierungen und Subventionen für erneuerbare Energien – keine ausreichenden Investitionsanreize mehr vermitteln, können Kapazitätsmechanismen ein mögliches Korrektiv darstellen. Ihre Einführung ist jedoch keinesfalls unproblematisch. Ganz allgemein tendieren sie dazu, die Preisausschläge im Grosshandel zu begrenzen. Damit werden Anreize zur Flexibilisierung des Verbrauchs sowie zum Einsatz von Speichertechnologien geschmälert. Das gilt umso mehr, als Kapazitätsmechanismen häufig gemeinsam mit einer Regulierung der Preise eingeführt werden, damit die Kraftwerksbetreiber nicht doppelt von der Angebotsknappheit profitieren – etwa indem sie Kraftwerke vom Markt nehmen, um die Preise in die Höhe zu treiben. Die Marktverzerrungen nehmen zu, wenn die Mechanismen selektiv ausgestaltet werden, also nur bestimmte Kraftwerkskategorien begünstigen. Eine selektive Förderung wird häufig im Zusammenhang mit der Energiewende diskutiert. Da die subventionierten Energien konventionelle Bestandesanlagen aus dem Markt drängen, sollen diese über einen Kapazitätsmechanismus als Back-up gefördert werden. Doch eine selektive Förderung von Alt- oder Neuanlagen schafft längerfristig Probleme: Kraftwerke werden zu kurz oder zu lang in Betrieb gehalten. Zeichnet sich das eine oder andere ab, muss der Regulator erneut steuernd eingreifen. Nun entscheidet er anstelle des Marktes über die Investitionen.

Üblicherweise werden vor allem die preisbasierten Mechanismen selektiv angewendet, sodass die damit verbundenen Marktverzerrungen grösser sind. Im Falle der administrativen Kapazitätszahlungen werden fixe oder auch produktionsabhängige Zahlungen an konventionelle Kraftwerke geleistet. Solche fixen (jedoch von der Reservemarge im System abhängigen) jährlichen Zahlungen existieren heute z.B. in Spanien. Allerdings profitieren davon lediglich neue oder alte Anlagen mit erheblichen Neuerungen. Das reduziert auf den ersten Blick die Kosten des Mechanismus, doch nimmt mit der Zeit der Druck zu, die Zahlungen auch auf alte Anlagen auszuweiten, damit sie nicht frühzeitig vom Netz genommen werden. In Argentinien und Peru wurden in den 1990er-Jahren die Zahlungen an die Produktion geknüpft, als Aufschlag auf dem Energiepreis an der Börse. Damit aber entstanden Anreize, den Strom auch unter den Grenzkosten anzubieten – was zu entsprechenden Verwerfungen im Stromhandel führte – ähnlich wie im Modell der Einspeisevergütung zur Förderung Erneuerbarer.

Preisgrenze durch strategische Reserve

Nicht weniger relevante Marktverzerrungen resultieren im System der strategischen Reserve. Hier beschafft eine zentrale Instanz – üblicherweise der Systemoperator – zusätzliche Kraftwerkskapazitäten, die er bei Knappheit respektive einem bestimmten Preisniveau (Auslösungspreis) in den Markt gibt. Gibt der Netzbetreiber die zusätzlichen Kraftwerke zum politisch-regulatorisch bestimmten Auslösungspreis in den Markt, resultiert eine Preisobergrenze am Markt. Wird der Auslösungspreis sehr tief gesetzt, nehmen nicht nur die Investitionsanreize im freien Markt ab, sondern auch die Anreize, in eine Flexibilisierung des Verbrauchs oder Speicher zu investieren. Ein hoher Auslösungspreis birgt umgekehrt die Gefahr eines ineffizienten Kraftwerkseinsatzes: Stellt sich bei hoher Nachfrage ein Spotmarktpreis zwischen den Grenzkosten des letzten produzierenden Kraftwerks und dem Auslösungspreis ein, werden von Verbrauchern womöglich Massnahmen zur Lastreduktion getroffen, deren marginale Kosten über denjenigen der (noch nicht eingesetzten) Kraftwerksreserven liegen. Das Modell der strategischen Reserve wird heute in Schweden oder Finnland angewendet. Auch hier handelt es sich zudem um ein selektives Instrument, bei dem lediglich Betreiber von Altanlagen profitieren, damit sie diese nicht stilllegen.

Verpflichtungen als (theoretisch) vorteilhaftes Modell

Die Verzerrungen lassen sich durch die Einführung eines mengenbasierten Mechanismus reduzieren. Kapazitätsverpflichtungen (mit Verfügbarkeitsoptionen) weisen gegenüber den anderen Mechanismen erhebliche Vorteile auf. Erstens entsteht der Preis der Kapazität auf Basis eines marktlichen Verfahrens – auf die selektive Begünstigung von Kapazitäten wird dabei üblicherweise verzichtet. Zweitens werden die Preissignale im Grosshandel nicht verzerrt. Drittens kann der Ansatz relativ einfach ohne Preisregulierung angewandt werden, da er über das Optionsmodell das Problem der Marktmacht adressiert.

Im Modell der Kapazitätsverpflichtungen werden die Versorger (oder einzelne Grossverbraucher) dazu angehalten, basierend auf ihren Bedarfsspitzen Kapazitäten vorzuhalten. Die nötigen Produktionskapazitäten (deren Beitrag zur Systemstabilität aufgrund ihrer technischen Verfügbarkeit während potenzieller Knappheitsperioden gewichtet wird) können die Versorger entweder selber vorhalten oder bei Dritten beschaffen. Der dadurch entstehende Forward-Markt für Produktionskapazitäten kann bilateral oder zentral organisiert sein, z.B. als Segment an einer Börse oder im Rahmen eines vom Systemoperator oder von einem Dritten organisierten Auktionsverfahrens. Durch die Schaffung eines zentralen Marktes werden Liquidität, Transparenz und Wettbewerb stimuliert, zudem sinken die Transaktionskosten. Am Kapazitätsmarkt können auch Verbraucher teilnehmen: Anstelle von Produktionskapazitäten bieten sie Lastreduktion an. Das Modell der Kapazitätsverpflichtung ist vor allem in den USA verbreitet.

Kapazitätsverpflichtungen können durch sogenannte Verfügbarkeitsoptionen ergänzt werden. Kraftwerksbetreiber zeichnen dabei eine Art Call-Option und verpflichten sich zu einer Zahlung an den Käufer der Kraftwerkskapazität, also die Versorger. Die Zahlung entspricht der Differenz zwischen dem Spotmarktpreis und einem festgelegten Ausübungspreis. Dadurch werden einerseits bei den Kraftwerksbetreibern Anreize geschaffen, ihre Anlagen während Knappheitssituationen tatsächlich im Markt anzubieten (bzw. diese nicht aus strategischen Motiven zurückzuhalten, z.B. durch exorbitant hohe Preise). Anderseits werden die Verbraucher vor besonders starken Preisausschlägen am Energiemarkt gesichert. Solche Preisspitzen sind möglich, da das Modell nicht zwingend eine Preisregulierung vorsieht oder einen hohen Price Cap zulässt.

Unilateraler Kapazitätsmarkt ist nicht effizient

Gerade wegen der hohen Vernetzung mit den Nachbarn sind korrigierende Kapazitätsmechanismen für ein kleines Land wie die Schweiz nur begrenzt funktionsfähig. Die Schweizer Strommarktpreise werden üblicherweise durch die benachbarten Märkte bestimmt – im Sommer eher Deutschland, im Winter Italien. Diese «Fremdbestimmung» unterminiert die Wirkung eines inländischen Kapazitätsmechanismus. Einerseits würde dieser nicht in jedem Fall Knappheitspreise verhindern – denn solche werden vielmehr aus dem Ausland «importiert». Anderseits würden besonders hohe Preise im Energiemarkt nicht unbedingt Kraftwerksknappheit im Inland signalisieren. Im Modell der strategischen Reserve liesse sich daher beispielsweise kein sinnvoller Auslösungspreis bestimmen. Kurz: Die unilaterale Einführung eines auf die Schweiz fokussierten Fördermechanismus wäre in jedem Fall ineffizient. Die inländischen Verbraucher würden die entsprechenden Kosten tragen, hätten aber keinen Gegenwert in Form einer Verhinderung von besonders grossen Preisausschlägen im Energiemarkt.

Umgekehrt dürfte es für die Schweiz schwierig sein, bei einer Einführung von Kapazitätsmärkten in den Nachbarländern abseits zu stehen. Denn nun würde die Schweiz über den Energiemarkt die preissenkenden Effekte der benachbarten Kapazitätsmärkte «importieren». Von den durchschnittlich tieferen Preisen könnten zwar die inländischen Verbraucher profitieren, doch würden die Erträge der Stromproduzenten unter Druck geraten. Längerfristig könnten Risiken für die Versorgungssicherheit resultieren, da der Bau und Betrieb von Kraftwerken im Inland weniger attraktiv wird.

Für inländische Kraftwerksbetreiber stellt sich die Frage, ob sie an ausländischen Kapazitätsmärkten teilnehmen könnten, um die geringeren Erträge aus dem Energiemarkt auszugleichen. Mindestens theoretisch ist es denkbar, dass ihnen ein solcher Marktzugang im Ausland gewährt wird. Dabei aber müssten allfällige Beschränkungen im Zusammenhang mit den saisonal unterschiedlich knappen Kapazitäten im grenzüberschreitenden Übertragungsnetz (NTC) berücksichtigt werden. Zudem müsste davon ausgegangen werden, dass schweizerische Kraftwerke, die an ausländischen Kapazitätsmärkten teilnehmen, dazu verpflichtet werden, ihre Verfügbarkeit an den potenziellen Knappheitssituationen im Ausland auszurichten. Gerade im Zusammenhang mit der Speicherbewirtschaftung könnte dies kritisch sein und die Versorgungsstabilität im Inland beeinträchtigen. Und schliesslich wäre für einen solchen Marktzugang vermutlich ein bilaterales Energieabkommen Schweiz-EU nötig. Die Einführung von Kapazitätsmechanismen im benachbarten Ausland dürfte daher Druck auf die Einführung eines solchen Mechanismus in der Schweiz schaffen. Eine enge Koordination mit den Nachbarn wäre in diesem Fall nötig. Denn ein auf die Schweiz beschränkter Kapazitätsmarkt wäre aufgrund der hohen administrativen Aufwendungen und der fehlenden Liquidität (und des mangelnden Wettbewerbs) beim Kraftwerksangebot auf jeden Fall ineffizient. Die Schweiz sollte daher beim Thema Kapazitätsmarkt keinen vorschnellen Alleingang wagen. Sinnvoller ist eine abwartende Strategie. Das kann sich die Schweiz leisten, da auf absehbare Zeit kein akuter Mangel an Kraftwerkskapazität im Inland besteht.

Dieser Artikel erschien im «Bulletin electrosuisse/VSE/AES» vom 08. November 2013.