Eine erste bedeutende «Zusammengehörigkeit» bezieht sich darauf, dass man ohne Freiheit gar keine Verantwortung wahrnehmen kann: Nur wer in Freiheit handelt, kann moralisch handeln. Erzwungenes Handeln besitzt niemals eine moralische Qualität. Nicht von ungefähr ist das jeweils die beliebteste Ausflucht, wenn jemand zur Verantwortung gezogen werden soll: Ich war doch nicht frei, ich handelte nach Befehl und Vorschrift. Freiheit wird als Voraussetzung von Verantwortung von den Staatsgläubigen dieser Welt auch deswegen selten thematisiert, weil sich daraus ja als Umkehr die Erkenntnis ergibt, dass Unfreiheit die Verantwortung verdrängt, ja verunmöglicht. Und natürlich sind auch einengende Regulierungen eine Form von Unfreiheit.

Ein Beispiel sind Corporate-Governance-Regeln. Da werden stundenlang Check-Listen abgearbeitet, und häufig wird dabei nur gefragt, ob all das, was auf diesen Listen steht, erfüllt wurde, während der gesunde Menschenverstand und die pragmatisch wahrgenommene Verantwortung auf der Strecke bleiben. Man hat ja alles getan, was getan werden musste, juristisch ist alles korrekt – das sollte nicht genügen.

Verantwortung als Bringschuld

Ein zweiter Zusammenhang von Freiheit und Verantwortung geht eher in die umgekehrte Richtung: Nur wer frei ist, kann Verantwortung tragen und darf zur Rechenschaft gezogen werden. Das freiwillige Wahrnehmen von Verantwortung ist gewissermassen eine Voraussetzung der Freiheit.

Viele überflüssige Regulierungen sind eine Folge davon, dass oft nur einige schwarze Schafe, gelegentlich aber auch durchaus starke Minderheiten oder sogar Mehrheiten, sich nicht verantwortungsvoll verhalten haben. Dieser Zusammenhang, so richtig er ist, wird gerne von den Gegnern einer liberalen Ordnung missbraucht, frei nach dem Motto: Und bist Du nicht willig, so brauch ich Gewalt, sprich: wenn Du Dich nicht freiwillig so verhältst, wie es sich gehört bzw. wie ich (Regierung bzw. Gesetzgeber) es für richtig halte, dann werden wir Dich mittels Regeln und Gesetzen zu diesem Wohlverhalten zwingen.

Hier ist Vorsicht geboten: Freiheit ist nur dann wirkliche Freiheit, wenn sie mehr als ein Verhalten zulässt – auch falsches. Es muss auch ein Recht auf Unvernunft geben. Natürlich gilt das Prinzip des Schadenersatzes, natürlich müssen Fehlbare haftbar gemacht werden, aber das Reagieren auf Fehlentwicklungen mit allen möglichen flächendeckenden Regulierungen ist weder sinnvoll noch freiheitsfördernd.

Die Folge ist eine schleichende Einengung unseres Tuns in allen Bereichen, scheibchenweise wird uns unsere Freiheit und unsere Verantwortung weggenommen, oder eher: nehmen wir sie uns selbst im demokratischen Prozess weg, wie Gulliver, der von den Lilliputanern mit feinsten Fäden gefesselt wird, jeder einzelne leicht zu zerreissen, aber in ihrem Zusammenwirken dann kaum mehr zu überwinden.

Ohne Verantwortung keine Akzeptanz der freiheitlichen Ordnung

Ein dritter Zusammenhang zwischen Freiheit und Verantwortung hat gerade in der heutigen Zeit enorme Bedeutung: In Demokratien brauchen die gesellschaftliche Ordnung, die Wirtschaftsordnung, die politische Ordnung die Akzeptanz durch die Mehrheit. Geht sie verloren, wird die Ordnung umgemodelt, ja zerstört. Solche Prozesse müssen wir derzeit leider auch in der Schweiz beobachten – man denke an die vielen absolut ordnungswidrigen Initiativen in der politischen Pipeline.

Für diese Akzeptanz ist das Verhalten der Exponenten der Wirtschaft, der Unternehmer und Manager, fundamental wichtig. Wenn sie in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit ihre Verantwortung wahrnehmen, in erster Linie die als Unternehmensführer, aber sehr wohl auch die als Bürger, als besser Gebildeter, als Begüterter, dann werden Marktwirtschaft und freiheitlicher Rechtsstaat überleben, weil sie weiterhin die Unterstützung einer Mehrheit finden werden. Wenn hingegen diese «Eliten» als blosse Abzocker wahrgenommen werden – selbst wenn sie es gar nicht sind -, als Leute, denen es nur ums eigene Geld geht, nicht einmal um das Wohlergehen der Firma und ihrer Mitarbeiter, geschweige denn um das Wohlergehen des Landes, dann muss man sich in einer funktionierenden Demokratie um die Zukunft der offenen, marktwirtschaftlichen Gesellschaft Sorgen machen.

Diese Gedanken stammen aus einem Vortrag von Gerhard Schwarz bei der Aargauischen Stiftung für Freiheit und Verantwortung im Oktober 2013. Lesen Sie nächste Woche über die sinkende Akzeptanz der Freiheit.