Das letzte Abstimmungswochenende hat auch ein anhaltendes Misstrauen gegenüber den Führungskräften der Wirtschaft zum Ausdruck gebracht. Immerhin sind so ziemlich alle Wirtschaftsverbände und viele Manager und Unternehmer im Abstimmungskampf gegen die Masseneinwanderungs-Initiative angetreten – rund die Hälfte der Stimmenden ist ihnen nicht gefolgt.

Die Politik braucht wieder mehr Unternehmer | Avenir Suisse

Leider hat sich die Wirtschaft von der Politik zu sehr verabschiedet. Sie zahlt dafür nun einen hohen Preis – und die Bürger zahlen ihn mit ihr. (Bild: Wikimedia Commons)

Dass ganz allgemein in der Gesellschaft die Skepsis gegenüber der «Wirtschaft» zunimmt, ist bedenklich. Die Politik empfindet die Wirtschaft vielfach als arrogant, als unsolidarisch und heimatlos. Der Vorwurf der Wirtschaft an die Politik ist zum Teil reziprok: ungenügende Führung, mangelnder Sachverstand, Provinzialität. Die schweizerische Politik ist aus Sicht der Wirtschaft nicht in der Globalisierung angekommen und auf dem internationalen Parkett wenig erfolgreich.

Wie kann dieses gestörte Verhältnis zwischen Wirtschaft und Politik wieder verbessert werden? Hierzu vier Thesen:

1.    Wirtschaftsführer tragen eine gesellschaftliche Verantwortung.

Auf Milton Friedman geht die Aussage zurück, dass die gesellschaftliche Verantwortung des Unternehmens darin bestehe, seine Gewinne zu steigern. So provokativ die Aussage in der Zeit der Stakeholder-Begeisterung auch sein mag, analytisch und ethisch ist sie immer noch richtig. Unser Wohlstand kommt von Unternehmen, die Gewinne erzielen, die investieren und die Arbeitsplätze schaffen und erhalten. Aber was für die Unternehmen gilt, gilt noch lange nicht für die Unternehmer, Manager und Aktionäre. Sie sind als Staatsbürger und als soziale Wesen gefordert, Verantwortung gegenüber der Gesellschaft zu tragen. Diese Verpflichtung gilt für Unternehmer und Manager wegen ihrer Macht und wirtschaftlichen Potenz sogar mehr als für normale Bürger.

2. Politisches Engagement liegt im Interesse der Wirtschaft.

Eigentlich sollte das politische Engagement der Manager und Unternehmer auf allen Ebenen und in allen Formen eine Selbstverständlichkeit sein. Schliesslich können ihnen die Rahmenbedingungen, in denen sie agieren, nicht gleichgültig sein. Ein fortwährendes Engagement und das Verteidigen der wirtschaftlichen Interessen auf dem politischen Parkett sind auf die Dauer auch günstiger als teure Wahlkampagnen.

3. Das Milizsystem ist ein wichtiger Erfolgsfaktor der Schweiz.

Besonders auf der nationalen Ebene ist eine Tendenz zur Professionalisierung in der Politik festzustellen. Unternehmer, die sich politisch engagieren, werden zunehmend zur Minderheit. Die Gründe für diesen Rückgang sind vielfältig: die mit der Globalisierung hektischere Arbeitswelt, der wachsende Anteil ausländischer Führungskräfte (Expats), veränderte Familienstrukturen und sehr weitgehende mediale Beobachtung. Hinzu kommt, dass bei der Auswahl von Führungskräften spezifische Fachkompetenz oft eine zu grosse Rolle spielt. Früher kamen eher starke Persönlichkeiten an die Spitze, die sich gerade durch ihr Engagement in Politik, Militär und Vereinen profiliert hatten. In der Vergangenheit hat das Milizsystem zu einer weitgehenden Überschneidung zwischen Politik und Wirtschaft geführt. Es ist ein wichtiges Erfolgselement der Schweiz und quasi in ihrer DNA angelegt. Leider hat sich die Wirtschaft von diesem «Mitmachen im Staat» zu sehr verabschiedet. Sie zahlt dafür nun einen hohen Preis – und die Bürger zahlen ihn mit ihr.

4. Die Wirtschaft sollte an einem Strick ziehen statt sich zu zerfleischen.

Natürlich ist die Schweizer Wirtschaft kein homogenes Gebilde. Es gibt den grösseren, weitgehend binnenorientierten Teil, das Gewerbe, viele kleine Dienstleister, viele kleinere Unternehmen, auch solche, die exportieren. Und es gibt den wirklich globalisierten Teil, die grossen Unternehmen, die in vielen Ländern produzieren, und die mittleren, die in die halbe Welt exportieren und auch dadurch eine andere, weltweite Perspektive entwickeln. Diese beiden Teile der Wirtschaft, die ganz stark aufeinander angewiesen sind, ziehen viel zu wenig in die gleiche Richtung.

Alles in allem: Wenn es um Vertrauen geht, geht es immer auch um Menschen. Nur der Wirtschaftsführer, der gleichzeitig auch über Interesse, Empathie und vielleicht sogar Fähigkeiten für Politik und Gemeinwesen verfügt, ist ein guter Manager – für das Unternehmen, das er führt, ebenso wie für die Gesellschaft, in der er lebt.