Urs Meister: Ein Quotenmodell wäre die intelligentere Lösung

Der rasante Produktionsanstieg von Windkraft und Photovoltaik (PV) in Deutschland wird häufig als ein Beleg für die Wirksamkeit der kostendeckenden Einspeisevergütung KEV angesehen. In der Tat vermag das Instrument den Ausbau spezifischer, von der Politik ausgewählter erneuerbarer Energie gezielt zu fördern. Die KEV entschädigt die Betreiber solcher Anlagen auf Basis ihrer Kosten. Der Investor erhält dadurch eine faktische Kapitalversicherung. Ist die vom Gesetzgeber bestimmte Kapitalrendite ausreichend hoch, werden Anleger ihr Geld in den Ausbau der Erneuerbaren lenken. Je grosszügiger die Subventionen, desto rascher geht der Ausbau voran. Die KEV gilt daher als spezifisches Instrument zur Technologieförderung.

KEV wirkt marktverzerrend

Doch der vermeintliche Vorteil ist auch ihre Schwäche. Weil sie die Abnahme des Stroms zu festen, kostenbasierten Vergütungssätzen garantiert, fördert die KEV teurere Technologien relativ stärker. Vor allem aber vermittelt sie keine Anreize, Investitionen und Betrieb der Anlagen an den Bedürfnissen des Marktes auszurichten. Die damit verbundenen Preisverzerrungen sind vernachlässigbar, solange der Anteil erneuerbarer Energie im Strommix klein ist. Doch das ist Vergangenheit: In Deutschland lag ihr Anteil an der Bruttostromerzeugung 2013 bei fast einem Viertel. Von den wachsenden Preisverzerrungen sind die Erneuerbaren selber am stärksten betroffen: Bei viel Wind oder Sonne ist zwar die Erzeugung hoch, doch ist der am Markt lösbare Preis aufgrund des temporären Überangebots tief. Die KEV verschärft das Problem, da sie keine Anreize setzt, die Produktion bei Überangebot zu drosseln oder in Perioden mit höheren Preisen zu verschieben (beispielsweise durch Speicherung oder Ausrichtung der PV auf Abendsonne). Mit wachsender Förderung nehmen Wertzerfall und Subventionsbedarf zu.

Quotenmodell liesse Wettbewerb zu

Es führt kein Weg daran vorbei, die Produktion der erneuerbaren Energien enger auf den Strommarkt abzustimmen. Statt einer festen Vergütung müssen die Betreiber eine Abgeltung erhalten, die sich am Preis orientiert und Knappheit oder Überangebot signalisiert. Die Förderung muss daher ihre «Versicherungsfunktion» für den Investor verlieren. Avenir Suisse hat ein Quotenmodell als Alternative vorgeschlagen. Dieses verpflichtet Versorger, einen Teil ihres Strombedarfs durch erneuerbare Energien zu decken durch Eigenproduktion oder Beschaffung eines grünen Zertifikats. Der Ertrag setzt sich für Produzenten dann aus dem Verkauf des Zertifikats an einem separaten Markt sowie dem Erlös am Strommarkt zusammen. Bei der Investitions- und Produktionsentscheidung spielen für den Betreiber sowohl die Kosten der Anlage als auch der (künftig) erzielbare Marktpreis eine entscheidende Rolle. Vor allem aber lässt das Quotenmodell Wettbewerb zwischen unterschiedlichen Technologien zu.

Länderübergreifendes Modell wäre vorteilhaft

Man könnte einwenden, dass in einem kleinen Markt wie der Schweiz die Gefahr besteht, dass nur eine oder wenige Technologien mit hohen Kosten ein relevantes Ausbaupotenzial ausweisen. Am Markt für Grünstromzertifikate bildet sich dann ein Preis, der sich an den Kosten der teuersten Technologie orientiert. In der Schweiz wäre das tendenziell eine PV-Anlage an einem sonnenarmen Standort. Alle anderen Technologien mit tieferen Kosten würden von den hohen Zertifikatspreisen profitieren. Avenir Suisse schlägt daher vor, dass auch der Ausbau der Grosswasserkraft (keine bestehenden Anlagen) in das Quotenmodell integriert wird. Schliesslich sind unter Marktbedingungen zahlreiche Ausbauprojekte zwar nicht wirtschaftlich, vermutlich aber effizienter als viele andere. Darüber hinaus sollten auch Investitionen beziehungsweise die Produktion von erneuerbarenm Energien im europäischen Ausland berücksichtigt werden zum Beispiel Windkraft an guten Standorten. Damit würde der Markt für erneuerbare Energie grösser und wettbewerblicher. Vorteilhaft wäre eine Integration in ein länderübergreifendes Quotenmodell (wie in Schweden und Norwegen). Als zweitbeste Lösung könnten erneuerbare Energien aus dem europäischen Ausland einseitig angerechnet werden.

Felix Nipkow: Günstiger Strom dank Einspeisevergütung

An der Strombörse sind die Preise wegen Überproduktion in ganz Europa im Keller. «Schuld sind die erneuerbaren Energien!» hört man allenthalben. Tatsache ist: Dank erfolgreicher Förderung sind viele erneuerbare Kraftwerke entstanden. Das ist politisch und gesellschaftlich gewollt und angesichts der Atom- und Klimarisiken richtig. Schmutzige Kohle- und Atomkraftwerke laufen allerdings vorläufig weiter, weil der CO2-Zertifikatehandel nicht funktioniert. Werden diese Kraftwerke wie gewünscht von den Erneuerbaren aus dem Markt verdrängt, werden sich die Preise wieder normalisieren. Mit einer Abgabe auf Dreckstrom könnte dieser Prozess beschleunigt und ein Schritt in Richtung Kostenwahrheit gemacht werden.

Schnelle Umsetzung

Am schnellsten geht der Zubau von erneuerbaren Kraftwerken mittels der kostendeckenden Einspeisevergütung KEV, die sich über eine Abgabe auf den Strompreis finanziert. Die KEV belastet die Staatskasse nicht und ist somit keine Subvention. Im Gegensatz dazu profitieren Atom- und Kohlekraftwerke bis heute viel stärker von marktverzerrenden staatlichen Unterstützungen und Subventionen: Das Risiko eines atomaren Gau trägt die Allgemeinheit, die Entsorgung des Atommülls wird kommenden Generationen überlassen, Klimaschäden durch CO2-Emissionen sind im Strompreis nicht enthalten.

KEV ist die beste Lösung

In einem idealen Markt wären solche Folgekosten in den Preis integriert das ist aber bei Weitem nicht der Fall. Eine verursachergerechte Einspeisevergütung bietet also eine Korrektur dieser Marktverzerrung und damit die beste und fairste Option zur Finanzierung neuer Kraftwerke. Erneuerbare Quellen können den Schweizer Atomstrom ersetzen darüber sind sich Bundesrat, Wissenschaft und Umweltverbände einig. Schon die Hälfte aller geeigneten Dach- und Fassadenflächen könnte, mit Photovoltaik bestückt, ein Viertel des Stromverbrauchs liefern. Zusammen mit Wind, Biomasse, Wasserkraft und in Zukunft auch Geothermie ist eine einheimische und erneuerbare Stromversorgung möglich.

Mehr Markt dank Einspeisevergütungen

Die KEV gibt es in der Schweiz seit 2009, allerdings wurde statt Kraftwerken vor allem eine lange Warteliste von Projekten produziert: Rund 6300 realisierten Photovoltaik-Projekten stehen über 30000 Projekte auf der Warteliste gegenüber. Nun, wo der Bundesrat im Rahmen der Energiestrategie 2050 vorschlägt, die gesetzliche Obergrenze für den Zuschlag auf den Strompreis von aktuell 1,5 Rappen pro Kilowattstunde auf 2,3 Rappen anzuheben (für den durchschnittlichen Haushalt macht die Differenz knapp 20 Franken pro Jahr aus), um diese Warteliste abzubauen, regt sich Widerstand: Avenir Suisse fordert die Ablösung der KEV durch Quoten. Das Quotenmodell sieht vor, jede Kilowattstunde erneuerbaren Strom gleich hoch zu entschädigen. Damit würden sich Anbieter mit den tiefsten Gestehungskosten (heute ist das die Grosswasserkraft) eine goldene Nase verdienen, während andere Technologien benachteiligt würden. Das würde zum Beispiel den Ausbau der Photovoltaik bremsen, die notabene das grösste Ausbaupotenzial bei gleichzeitig kleinstem Konflikt potenzial hinsichtlich Natur- und Landschaftsschutz birgt.

Die KEV erlaubt es neuen Produzenten, in den Markt einzusteigen, der heute von wenigen grossen Konzernen dominiert ist. Eine Diversifizierung der Stromanbieter kann nur im Interesse des Marktes sein. Die Erfahrung zeigt, dass Quotenmodelle den Strom verteuern, während Einspeisevergütungen ihn billiger machen.

Kein Zurück auf Feld eins

Das Quotenmodell würde die Schweizer Energiepolitik zurück auf Feld eins katapultieren. Wer jetzt die Abschaffung des effizienten und international bewährten KEV-Systems fordert, macht sich verdächtig, den Atomausstieg blockieren zu wollen. Zum Glück hat die Politik das durchschaut und hält am bewährten Modell der Einspeisevergütungen fest. Die Schweizerische Energie-Stiftung SES unterstützt das Parlament dabei, eine unbürokratische, effiziente Ausgestaltung zu finden, damit wir möglichst rasch aus der Atomenergie aussteigen können.

Dieser Artikel erschien in «Thema Umwelt» vom April 2014.
Mit freundlicher Genehmigung von «Thema Umwelt».