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Neben der administrativen Steuerung der Zuwanderung – etwa über ein Punktesystem – gibt es auch marktnähere Ansätze, die sich an Preisen orientieren. Wann immer ein Phänomen in unerwünscht hohem Ausmass auftritt, lässt sich eine Reduktion auf zwei Arten erwirken: Indem man ein Maximum definiert (und mittels Handel den «markträumenden» Preis eruiert) oder indem man einen Preis für das «Phänomen» (das bisher gratis war) festlegt. So kann man z.B. im Klimaschutz eine bestimmte Menge von Zertifikaten, die zum CO2-Ausstoss berechtigen, versteigern und danach zum Handel freigeben, woraus sich ein Gleichgewichtspreis ergibt. Das Emissionsziel wird mit Sicherheit erreicht; der Preis pro Tonne CO2 hängt davon ab, wie kostengünstig sich die Emissionen vermeiden lassen.

Umgekehrt könnte man auch eine Lenkungssteuer auf CO2 erheben. In diesem Fall ist der Preis pro Tonne CO2 fix, während die resultierende Gesamtemissionsmenge nicht bestimmt ist; sie hängt davon ab, wie kostengünstig sich Emissionen vermeiden lassen.

Mit der Zuwanderung ist es nicht anders: Sie lässt sich entweder direkt über die Versteigerung fixer Kontingente steuern, oder indirekt über die Festlegung einer Einwanderungsgebühr. In der Abbildung sind beide Varianten schematisch dargestellt. Die Zahlungsbereitschaft für den x-ten Einwanderer (Kurve) ergibt sich aus der Zahlungsbereitschaft des Schweizer Unternehmens, die unter anderem vom hiesigen Arbeitskräftemangel abhängt, und aus der Zahlungsbereitschaft des Einwanderers, die mit der relativen Attraktivität der Schweiz schwankt. Boomt die Schweizer Wirtschaft, steigt diese «Nachfragekurve» an und mit ihr, bei gegebenem Einwanderungskontingent, der gleichgewichtige Preis des Visums. Gilt hingegen eine fixe Einwanderungsgebühr, führt die gestiegene Zahlungsbereitschaft zu einer stärkeren Zuwanderung.

Eine Steuerung der Zuwanderung über den Preis statt über die Menge hat den Vorteil, dass so flexibler auf die Bedürfnisse der Wirtschaft reagiert werden kann. Ohne Preisanpassungen wird in Boomjahren mit hoher Arbeitskraftknappheit mehr Zuwanderung resultieren als in schwachen Jahren mit möglicherweise konjunktureller Arbeitslosigkeit (netto ist im zweiten Fall sogar eine «negative Zuwanderung» möglich). Allerdings setzt die Zuwanderungssteuerung über Abgaben die in der Bundesverfassung geforderte Kontingentierung nicht wortwörtlich um. Der «richtige» Preis wird mittels Versuch und Irrtum gesucht. «Gefunden» ist er dann, wenn die resultierende Höhe der Zuwanderung den politischen Vorstellungen entspricht.

Die Schweiz als Club

Ein solcher «Eintrittspreis» mag sich aus juristischer Sicht protektionistisch anhören, ökonomisch kann man ihn hingegen einfach als Internalisierung externer Kosten interpretieren: Die Hauptprofiteure der Zuwanderung sind die Zuwanderer selbst sowie die sie beschäftigenden Unternehmen. Sie kalkulieren die negativen (aber auch die positiven) Nebeneffekte (Externalitäten) der Zuwanderung nicht ein. Das ist die «Tragik der Allmende»: Auf eine Weide, die alle Bauern gemeinsam nutzen dürfen, werden so viele Kühe geschickt, bis die Weidung der letzten Kuh für ihren Bauern keinen Mehrwert mehr generiert. Dass eine zusätzliche Kuh den Ertrag der schon weidenden Kühe der anderen Bauern schmälert, wird nicht berücksichtigt.

Nun gibt es gute Gründe, die Schweiz nicht als Weide, Unternehmen nicht als Bauern und Zuwanderer nicht als Kühe zu bezeichnen. Vor allem muss betont werden, dass das Ertragspotenzial des Landes Schweiz nicht im gleichen Ausmass wie das der Weide limitiert ist. Es kann jedoch nicht ignoriert werden, dass jede Zuwanderung neben positiven Effekten auch Kosten verursacht (z.B. Infrastruktur) und dass ein Zuwanderer von Annehmlichkeiten profitiert (z.B. politische Stabilität, Verkehrsinfrastruktur, Bildungssystem), zu deren Erzeugung er bisher nichts beigetragen hat. Eine Abgabe für Zuwanderer könnte somit als Instrument betrachtet werden, um diese Effekte zu internalisieren.

Mit den Einnahmen könnte man (1) einen Infrastrukturfonds äufnen, um Engpässe in diesem Bereich schneller zu beseitigen. Dieses Vorgehen würde der sogenannten Club-Theorie am besten entsprechen. Das Geld könnte aber (2) auch an die Bevölkerung bzw. die Unternehmen (nach einem noch zu bestimmendem Schlüssel) ausgeschüttet werden. Das entspräche einer klassischen Lenkungsabgabe. Oder man könnte (3) die Erträge für Massnahmen zur besseren Ausschöpfung der einheimischen Arbeitspotenziale – allen voran Frauen und ältere Arbeitnehmer – verwenden. Das würde dazu dienen, die vorherrschende Tendenz zum Wachstum in die Breite durch ein Wachstum in die Tiefe ersetzen. Damit würde auf ein offenbar weit verbreitetes Unbehagen in der Schweizer Bevölkerung reagiert, die sicher zum Teil auch darum ein Ja zur Masseneinwanderungsinitiative in die Urne gelegt hat, weil sie sich fragte, was ihr dieses Wachstum in die Breite konkret bringt. Option 3 hat Avenir Suisse schon Anfang 2013 (allerdings auf Basis einer freiwilligen Abgabe der Unternehmen auf Neueinstellungen aus dem Ausland) vorgeschlagen. Was damals in liberalen Kreisen mit Stirnrunzeln taxiert wurde, erweist sich inzwischen als weitsichtiger Vorschlag zur Güte.

Preisdifferenzierungen

Natürlich stellt sich bei einer Einwanderungsabgabe die Frage, ob sie nach Branchen differenziert werden sollte. Gesamtwirtschaftlich gesehen wäre ein Einheitspreis am besten: Die Zuwanderung soll dorthin gehen, wo die Wertschöpfung am grössten ist. Allerdings würden durch einen solchen Einheitspreis Branchen wie der Tourismus oder das Gesundheitswesen, die zwar nicht wertschöpfungsintensiv sind, aber bisher stark auf Zuwanderung angewiesen waren, vom ausländischen Arbeitskräftepool abgeschnitten. Will man das verhindern, muss man die «Eintrittspreise» nach Produktivität abstufen.

Eine Möglichkeit dafür bestünde darin, die Abgabe proportional zum Jahreslohn, der ja ein gutes Indiz für die (erwartete) Produktivität des Arbeitnehmers ist, festzulegen. Der Vorteil dieser Lösung ist ihre Einfachheit. Die Politik könnte branchenübergreifend einen einheitlichen Prozentsatz des Jahreslohnes als Einwanderungsgebühr beschliessen. Eine andere Möglichkeit bestünde darin, für die Abgabe einen absoluten Betrag vorzusehen, diesen aber nach Branchen oder Berufsgruppen abzustufen. Dann würde sich die Zuwanderung zumindest innerhalb der Branchen oder Berufsgruppen auf die produktiveren Zweige bzw. Mitarbeiter konzentrieren. Problematisch wären hier allerdings die absehbaren politischen Verteilkämpfe bei der Festlegung der branchenspezifischen Einwanderungspreise. Gut organisierte Branchen würden für sich unverhältnismässig niedrige Preise erkämpfen, letztlich zum Schaden des Wohlstands und der Volkswirtschaft als Ganzes.

Zu beantworten wäre auch die Frage, ob mit der Abgabe ein zeitlich unbeschränktes oder nur ein temporäres Arbeits- und Aufenthaltsrecht in der Schweiz «erkauft» wird. Die Zahlungsbereitschaft für ein unbeschränktes Recht ist (besonders seitens der Arbeitnehmer) natürlich viel grösser. Zugleich würden aber bei einem unbeschränkten Recht die einmal Eingewanderten dazu neigen, auch unter schlechter werdenden Rahmenbedingungen im Land zu bleiben. Wenn die Zielgrösse der Migrationspolitik die Nettoeinwanderung ist, muss man sich bewusst sein, dass teure, unbeschränkte Rechte nicht nur die Bruttoeinwanderung, sondern mittelfristig auch die Auswanderung senken, womit der Effekt auf die langfristige Nettowanderung abgeschwächt wird. Mit zeitlich beschränkten Rechten könnte flexibler auf die wirtschaftliche Entwicklung reagiert werden, auch hätte man damit die deutlich bessere Kontrolle über die Nettozuwanderung. Allerdings senken temporäre Aufenthaltsrechte den Integrationswillen der Einwanderer. Empfehlenswert wäre darum wohl ein zweistufiges System, mit zwei Gebühren, einer für ein zeitlich unbeschränktes Aufenthaltsrecht und einer anderen, deutlich niedrigeren für ein temporäres Recht von beispielsweise 3 Jahren.

Inländervorrang und Verteilung der Gebührenlast

Eine Zuwanderungsgebühr setzt den vom Initiativtext geforderten Inländervorrang automatisch um, ein Bedarfsnachweis des Arbeitgebers auf administrativem Wege wird hinfällig. Läge die Pflicht zur Zahlung der Gebühr beim einwandernden Arbeitnehmer, entspräche dies aber wohl einem klaren Verstoss gegen die Personenfreizügigkeit, die einen diskriminierungsfreien Zugang der Ausländer zum schweizerischen Arbeitsmarkt fordert. Ökonomisch ist es zwar unerheblich, ob der Einwanderer oder der Arbeitgeber die Gebühr zahlt, denn sie wird de facto ohnehin gemäss Elastizität des Arbeitsangebots auf den Arbeitgeber bzw. den Einwanderer aufgeteilt. Aus politischer oder juristischer Sicht dürfte es aber deutlich weniger diskriminierend wirken, wenn das Unternehmen die Gebühr zahlt, denn dem Einwanderer entstehen so keine direkt sichtbaren Kosten.

Eine durch den Arbeitgeber zu entrichtende Gebühr könnte damit der Quadratur des Kreises nahekommen, indem sie den Inländervorrang garantiert, ohne Zuwanderer allzu augenscheinlich zu diskriminieren. Selbständig Erwerbstätige müssten gemäss der Logik von «Eintrittspreisen» die Gebühr selber aufbringen, da sie sozusagen ihr eigener Arbeitgeber sind. Das Gleiche gilt für Privatiers.

Mehr zu diesem Thema finden Sie in der Publikation «avenir spezial: Gelenkte Zuwanderung».