Unterschiedliche Teuerungsentwicklung

Das imposante Gebäude der Federal Reserve Bank of Chicago beherbergt ein interessantes Money Museum. Es zeigt die Geschichte der amerikanischen Geldverfassung vor und nach der Gründung des Federal Reserve Systems vor hundert Jahren, veranschaulicht die Entwicklung des amerikanischen Bankwesens und informiert über Organisation und Aufgaben der Zentralbank.

Wie in nur zehn Jahren aus einer Million 675‘000 Dollar werden

Das Museum ist ein Ausflugsziel für Schulklassen. Lehrer und Schüler können sich mit gut aufbereiteten Unterlagen auf den Besuch vorbereiten. Den Kindern wird es nicht langweilig; die Besucher können allerlei Eigeninitiativen ergreifen, sich spielerisch mit geldpolitischen Themen vertraut machen und ihre «financial literacy» verbessern. Sie können zum Beispiel das Ausmass der Geldentwertung bei unterschiedlichen Inflationsraten und Zeiträumen ermitteln und sehen, dass eine Million Dollar bei einer jährlichen Teuerungsrate von 4% in zehn Jahren nur noch 675’564 Dollar wert sind. Das lässt aufhorchen, ist doch eine Inflationsrate von 4% bei internationalen Organisationen und manchen Experten salonfähig geworden.

Was erfahren die Besucher über das Mandat der Zentralbank? In einem Film wird es von sonorer Stimme vorgetragen und in Grossbuchstaben auf die Leinwand projiziert: «Maximum employment and price stability» – in dieser Reihenfolge. Viele Amerikaner werden also schon von Kindesbeinen an mit dem Doppelmandat ihres Noteninstituts vertraut gemacht. Die gleichen Begriffe verwendet der Federal Reserve Act, das Notenbankgesetz, fügt aber ein drittes Ziel hinzu, nämlich «moderate long-term interest rates». Darüber, was moderate Langfristzinsen sind, lässt sich lange streiten, und so verfügt das Fed über einen grossen geldpolitischen Handlungsspielraum. Die unkonventionelle Politik des Ankaufs von Staatspapieren und Hypothekaranleihen wird mit diesem Ziel gerechtfertigt. Weil eine Arbeitslosenquote über 6% nicht maximaler Beschäftigung entspricht, bleibt die Ausrichtung der Geldpolitik trotz konjunktureller Erholung stark expansiv.

Bundesbank und SNB waren erfolgreicher

Wie erfolgreich war diese Geldpolitik unter dem Doppel- oder gar Dreifachmandat? Kurzfristig können die Geldbehörden auf tiefe Inflationsraten verweisen und sogar ein Deflationsrisiko in den Vordergrund rücken. Langfristig gilt das nicht. In der 40-jährigen Periode von 1974 bis 2013 betrug die durchschnittliche jährliche Teuerungsrate in den USA 4,3%. In der Teuerungsabwehr erfolgreicher waren Zentralbanken, die ein eindeutiges, der Preisstabilität verpflichtetes Mandat haben. In Deutschland machte die mittlere Inflationsrate im gleichen Zeitraum 2,6%, in der Schweiz 2,2% aus. Auch in Bezug auf die Arbeitslosenquote schnitten die Vereinigten Staaten in den letzten Jahrzehnten schlechter ab als die Schweiz, aber lange besser als Deutschland. Das hing aber vor allem mit dem rigiden deutschen Arbeitsmarkt zusammen. Die «Agenda 2010»-Reformen haben ihn flexibilisiert. Seither liegen die Arbeitslosenraten deutlich unter den amerikanischen.

Die Schweizerische Nationalbank hat zwar kein Geldmuseum (im Licht der spannenden Geschichte des Schweizer Frankens eigentlich schade!), dafür aber ein Mandat, das ihr eine unabhängige und eindeutig stabilitätsorientierte Geldpolitik ermöglicht.