Mit über fünf Millionen Einwohnern auf einer Fläche von nur gut 700 Quadratkilometern  – in etwa die Grösse des Kantons Glarus – weiss Singapur, was städtische Dichte bedeutet. Verdichtung hat hier im Grossmassstab stattgefunden: heute teilen sich 7‘500 Einwohner einen Quadratkilometer, im Jahre 1990 waren es noch 4‘500. Zusammen mit einem starken Einkommenswachstum führte dies zu einem grossen Anstieg der Nachfrage nach Wohnraum. Obwohl die Fläche Singapurs seit der Unabhängigkeit im Jahr 1965 dank Aufschüttungen um 15 Prozent erweitert werden konnte, wurde Wohnraum vor allem dank dem Bau von Hochhäusern geschaffen.

Glaubt man den internationalen Städterankings, hat Singapur diese Herausforderungen bisher meisterhaft gelöst. Die rasante Entwicklung ging nicht auf Kosten der Lebensqualität, im Gegenteil: Diese wird in verschiedenen Umfragen im asiatischen Vergleich als hoch beurteilt. Hochhäuserquartiere vermitteln, wenn sie gut geplant sind und sinnvolle Erdgeschossnutzungen anbieten, urbanes Flair und ein stimulierendes Lebensumfeld. Eine gute Infrastruktur wirkt dabei unterstützend. Die internationale Reputation der Singapurer Städtebauspezialisten zeugt von diesem Erfolg.

Die hochwertige Dichte von Singapur gehört heute zu jenen Faktoren, die der Stadt als Unternehmensstandort eine besondere Attraktivität verleihen. Städtische Dichte minimiert nämlich nicht nur die Transportkosten von Gütern und Personen, sie erleichtert auch die Kommunikation und das Knüpfen von Kontakten – beides geschätzte Qualitäten in einer modernen Dienstleistungsgesellschaft.

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 Gigantisches Wohneigentumsförderungs-Programm

Neben diesen Entwicklungen machen weitere lokale Eigenheiten Singapur zum faszinierenden stadtökonomischen Labor. Die Hauseigentumsquote liegt bei 85 Prozent. Sie ist nicht nur das Ergebnis einer für Asien typischen Präferenz für Eigentum, sondern auch Ausdruck einer aktiv verfolgten Politik der «Wohneigentumsförderung auf Zeit».

Zentraler Akteur dieser Politik ist das staatliche «Housing and Development Board (HDB)». Dieser mit Abstand wichtigste Bauherr im asiatischen Stadtstaat kontrolliert rund 90 Prozent des Wohnungsbestandes. Das HDB plant und baut Wohnungen, die dann während maximal 99 Jahre im Baurecht abgegeben werden. Neubauten wurden den Singapurern und den niedergelassenen Ausländern bisher gut 20 Prozent unter dem geltenden Marktpreis angeboten. Nach einer Karenzfrist (in der Regel fünf Jahre) dürfen die Eigentümer diese veräussern (die Vermietung der Wohnungen ist untersagt).  Gänzlich frei ist dieser Verkauf allerdings nicht. Zur Sicherung der Durchmischung müssen dabei ethnische Kontingente eingehalten werden, die vorschreiben, dass in keiner Liegenschaft eine der drei Hauptethnien (Chinesen, Malai oder Inder) bestimmte Anteile übertrifft.

Damit lastet eine beachtliche Verantwortung auf den Schultern des HDB. Nicht nur hat das HDB die klassischen Entscheidungen des «Developers» wie die Wahl des Entwicklungszeitpunktes, die Einschätzung der Nachfrage (Sollen kleine oder grosse Wohnungen gebaut werden? In welcher Qualität?), die Kontrolle der Bauausführung und die Vermarktung – und dies, nota bene, für den gesamten Wohnungsbestand des Landes – zu fällen. Das HDB muss auch zahlreiche volkswirtschaftlich relevante Sekundäreffekte berücksichtigen. Wird nämlich die Nachfrage überschätzt, wie im Nachgang zur Asienkrise Ende der 90er Jahre, drohen nicht nur Leerstand und fallende Verkaufspreise, sondern auch beträchtliche Vermögenseinbussen für die künftigen Rentner. Letztere halten einen grossen Teil ihres Vorsorgevermögens in Form der eigenen Wohnung, und sie sind somit auf Aufwertungen angewiesen. Zu schnell steigende Immobilienpreise wiederum treffen die Jungen auf der Suche nach einer ersten Wohnung und bremsen die Haushaltsbildung.

Ähnliche Risiken bestehen freilich auch in der Schweiz, wo allerdings mehrheitlich dezentrale Lösungen gesucht werden: Wem die Risiken des Hauseigentums zu gross sind, der kann auf den Mietermarkt ausweichen, die Pensionskassengelder werden diversifiziert angelegt und das Dreisäulensystem immunisiert die künftigen Renten gegenüber einer breiten Palette von Risiken. Umverteilung erfolgt vorwiegend über das Steuersystem, weniger über den Wohnungsmarkt. Bisher hat das Singapurer System seine Versprechen weitgehend eingehalten – wenn auch die Volatilität der Preisentwicklung auf dem Immobilienmarkt aus europäischer Sicht sehr hoch erscheint (siehe Grafik). Es dürfte sich aber jedenfalls lohnen, das Vorgehen Singapurs genauer zu verfolgen.