Mit Immobilien kann man auf zwei Arten Geld verdienen (oder verlieren): mit Mieteinnahmen oder mit Kapitalgewinnen. Der erste Weg ist der sicherste: Vorausgesetzt, die Liegenschaft steht nicht leer – in der Schweiz im Wohnbereich eine Seltenheit –, fallen jahrein, jahraus Einnahmen an. Bei Eigentümern, die ihre Liegenschaft selbst bewohnen, entfällt sogar das Leerstandsrisiko. Zwar unterstehen alle fremdfinanzierten Immobilienbesitzer dem Hypothekarzinsrisiko, doch hierzulande sind Zinsschocks selten. Folglich stellen Mieteinnahmen eine zuverlässige Ertragsquelle dar.

Rekordjahr 2011

Die zweite Gewinnquelle – die Kapitalwertveränderung – ist hingegen wesentlich unsicherer. Allgemein entstehen solche Veränderungen dann, wenn bereits bestehende Aktiva neu «beurteilt» werden. Da Liegenschaften sehr langlebig sind, reicht eine geringfügige Neueinschätzung der Zukunft, um die Bewertungen stark zu bewegen. Kapitalgewinne sind unbeständig. Unter Ökonomen ist es deshalb umstritten, inwiefern sie überhaupt als Einkommen gezählt werden sollen. Weil sie nicht aus einem produktiven Prozess entstehen, werden sie z. B. von der Berechnung des Bruttoinlandprodukts (BIP) ausgeschlossen. Anderer Meinung sind die Steuerämter, die Kapitalgewinne von Liegenschaften mit der Grundstücksgewinnsteuer belasten – dies allerdings erst, wenn die Kapitalgewinne realisiert werden, also wenn die Liegenschaften die Hand wechseln.

Steigende Immobilienvermögen in der SchweizWie hoch sind die Kapitalgewinne von Schweizer Immobilien? Die nebenstehende Tabelle stellt eine vereinfachte Rechnung für 2011 dar, das bisher beste Jahr für die privaten Hauseigentümer und Eigenheimbesitzer seit der Jahrtausendwende. Gemäss der Schweizerischen Nationalbank nahm 2011 das Netto-Immobilienvermögen der Privatpersonen um gut 100 Mrd. Fr. auf 846 Mrd. Fr. zu. Dieses starke Wachstum ist allerdings nicht nur auf die Kapitalgewinne zurückzuführen. Neubauten und Sanierungen führen ebenfalls zu einer Zunahme des Immobilienvermögens, während Abschreibungen und die zusätzliche Verschuldung der Haushalte es schmälern. Doch trotz «Bauboom» war der Beitrag des Neubaus zum Immobilienvermögen beinahe vernachlässigbar: Bloss 3,7% der Vermögensveränderung gehen auf das Konto der Bauinvestitionen. Auch die Zunahme der Hypothekarverschuldung (immerhin zusätzliche 28 Mrd. Fr.) konnte die durch die Kapitalgewinne bedingte Zunahme des Immobilienvermögens nicht bremsen. Im Rekordjahr 2011 betrugen die Kapitalgewinne auf Immobilien sage und schreibe 123 Mrd. Fr., umgerechnet 35’000 Fr. pro Wohnung. Zum Vergleich: Die gesamten Nettomieteinnahmen beliefen sich in dem Jahr auf 16 Mrd. Fr., inklusive Eigenmieten der Eigenheimbesitzer.

Durchschnittliche Kapitalgewinnung pro WohnungDie Hauseigentümer dürfen auf einige glanzvolle Jahre zurückblicken. Zwischen 2002 und 2012 lag die durchschnittliche, reale Aufwertung bei 16’000 Fr. pro Jahr und Wohnung (vgl. Grafik). Hätte man diese Wertveränderung gänzlich zum Einkommen der Haushalte gezählt, wäre das Wachstum deutlich höher ausgefallen als vom BIP ausgewiesen. Im Jahr 2011 wäre das um diese Kapitalgewinne «erweiterte» Haushaltseinkommen gut ein Drittel höher, und die Sparquote der Haushalte läge nicht bei 17% des verfügbaren Einkommens, sondern bei 34%.

Spiegel des wirtschaftlichen Erfolgs

Inwiefern die Haushalte diese Buchgewinne je werden realisieren können, sprich dieses Vermögen in Konsum umwandeln, steht noch nicht fest. Fallende Immobilienpreise würden das Vermögen entsprechend schmälern. So oder so: Auch die hohen Aufwertungen der Liegenschaften spiegeln die Erfolgsgeschichte der Schweiz in den letzten zehn Jahren.

Dieser Artikel erschien in «NZZ Domizil» vom 08.08.2014.
Mit freundlicher Genehmigung der «Neuen Zürcher Zeitung».