Die Schweiz ist ein führender Stiftungsstandort in Europa. Zu den gesetzlichen Rahmenbedingungen ist Sorge zu tragen, eine behutsame Verbesserung allerdings ist möglich und nötig.

Gemeinnützige Stiftungen sind Ausdruck einer liberalen Bürgergesellschaft, Instrument zur Mobilisierung privaten Kapitals für gemeinnützige Zwecke und eine Form der freiwilligen Umverteilung. Sie bilden einen Gegenpol zum paternalistischen Wohlfahrtsstaat. Aus diesem Grund gilt es den Stiftungsstandort zu stärken. Die Rahmenbedingungen müssen so gesetzt werden, dass mehr und wirkungsvoller gestiftet wird.

In der Schweiz gibt es 12 900 gemeinnützige Stiftungen mit einem Gesamtvermögen von über 70 Mrd. Fr. und jährlichen Ausschüttungen zwischen 1,5 und 2 Mrd. Fr., die gemeinnützigen Zwecken zugutekommen. Im Vergleich mit anderen Ländern weist die Schweiz eine hohe Stiftungsdichte auf. Das zehnmal grössere Deutschland hat kaum doppelt so viele Stiftungen und die zweimal so grossen Niederlande nur halb so viele. Auch bei anderen Formen gemeinnützigen Engagements wie Spenden, Vereinen und Freiwilligenarbeit steht die Schweiz überdurchschnittlich gut da.

International vernetzt

Eine Besonderheit des Stiftungsstandorts ist seine starke internationale Vernetzung: Viele ausländische Stifter leben hier, Schweizer Mäzene sind global aktiv, und das Land ist Sitz wichtiger internationaler Stiftungen und anderer Non-Profit-Organisationen, nicht nur im Genfer Uno-Cluster. Viele Banken und Family Offices haben Philanthropieberatungen aufgebaut. So stärkt auch der Finanzplatz die Rolle der Schweiz als internationale Drehscheibe für gemeinnützige Aktivitäten.

Der Stiftungssektor hat sich in den letzten Jahren dynamisch entwickelt: Die Zahl gemeinnütziger Stiftungen ist seit 2000 um 60% gestiegen, und in den letzten fünf Jahren gab es zwanzig grosse Einzelspenden zwischen 10 und 120 Mio. Fr. Das Stiftungsrecht wurde 2006 revidiert und die eidgenössische Stiftungsaufsicht gestärkt. Neue Plattformen für den fachlichen Austausch wurden gegründet, spezialisierte Berater sind entstanden. Mit dem Swiss Foundation Code gibt es einen Best-Practice-Kodex für die Gründung und die Führung gemeinnütziger Stiftungen.

Es gibt international unterschiedliche Stiftungskulturen, wobei sich besonders das angelsächsische vom kontinentaleuropäischen Modell unterscheidet. Das angelsächsische zeichnet sich durch viel Unternehmertum, Transparenz und Innovationsbereitschaft aus. Das Stiftungswesen in Kontinentaleuropa wird eher geprägt durch Diskretion, Kapitalerhalt und eine behäbige Stiftungskultur. Die Schweiz ist ein Zwitter der beiden Modelle und weist ähnliche Rahmenbedingungen für ein modernes Stiftungswesen auf wie die USA: ein liberales Stiftungsrecht, ausgeprägten Bürgersinn, niedrige Steuern und eine hohe Dichte an Privatvermögen.

Auch eine der weltweit wichtigsten philanthropischen Initiativen der letzten Jahre kommt aus dem angelsächsischen Raum: Giving Pledge, eine Selbstverpflichtung von Milliardären, mindestens die Hälfte ihres Vermögens zu spenden. Dieser Initiative sind bisher 127 Personen beigetreten, mit einem Gesamtvermögen von etwa 600 Mrd. $. Dazu zählen jeder fünfte Milliardär in den USA sowie Vertreter aus zwanzig anderen Ländern. Als erster Schweizer ist 2014 der Unternehmer Hansjörg Wyss beigetreten.

Ein Problem des Schweizer Stiftungswesens ist seine Fragmentierung mit vielen kleinen und kaum aktiven Stiftungen. 80% haben kein festes Personal, und 85% verfügen über ein Vermögen von unter 5 Mio. Fr. Trotzdem gibt es kaum Fusionen. Die Stiftungen sind selbst gefordert, mehr zu kooperieren. Die regulativen Hürden für Fusionen sollten gesenkt werden. Auch die Umwandlung kapitalschwacher Stiftungen in Verbrauchsstiftungen und eine stärkere Nutzung von Dachstiftungen können zur Konsolidierung beitragen. Die Ultima Ratio wäre eine gesetzliche Ausschüttungsquote. In den USA müssen Stiftungen jährlich 5% ihres Vermögens für den Stiftungszweck aufwenden. Dies verhindert das Entstehen inaktiver Stiftungen und sorgt dafür, dass nur die Stiftungen dauerhaft existieren, die sich am Fundraising-Markt behaupten.

Das zweite Problem ist die geringe Transparenz. Die meisten Stiftungen veröffentlichen keine Informationen über ihre Arbeit, und viele haben nicht einmal eine Webseite. Die Datenbasis ist dürftig. Um die Transparenz zu erhöhen, sind die Stiftungen gefordert, ausführlicher über ihre Arbeit zu berichten. Das Bundesamt für Statistik sollte Daten über den Sektor erheben. Zudem müsste ein nationales Stiftungsregister eingerichtet werden. Konzepte dafür bestehen. Überdies sollte eine erweiterte Publikationspflicht für gemeinnützige Stiftungen geprüft werden. In den USA und Grossbritannien sind gemeinnützige Organisationen im Gegenzug zu ihren Steuerprivilegien zu umfassender Transparenz verpflichtet.

Die dritte Herausforderung ist die Vermeidung von Missbräuchen durch bessere Corporate Governance. Das schlanke und liberale Stiftungsrecht ist eine der Stärken des Stiftungsstandorts und sollte nur behutsam verändert werden. Um die Corporate Governance zu verbessern, wäre die Ergänzung durch einen Artikel zur «guten Stiftungsführung» sinnvoll, in dem wichtige Prinzipien festgeschrieben werden, etwa ein erweitertes Aufsichtsbeschwerderecht (im Falle von Missbräuchen) oder Massnahmen zur Vermeidung von Interessenkonflikten. Sinnvoll wäre auch die Festschreibung eines Mindestinhalts für Stiftungsstatuten, um sicherzustellen, dass sich ein Stifter bei der Formulierung seines Willens mit potenziellen Problemen auseinandersetzt.

Steuerliche Anreize

Verbesserte steuerliche Anreize wären ebenfalls ein Weg, den Stiftungssektor zu stärken. Im Rahmen der Gesetzesrevision von 2006 wurde bereits die steuerliche Abzugsfähigkeit auf 20% des jährlichen Reineinkommens erhöht. Ergänzt werden sollte dies durch die Möglichkeit eines Steuervortrags, also der Geltendmachung grösserer Spenden über mehrere Jahre.

Zudem könnte der Staat durch die Auslagerung bestimmter Funktionen in Stiftungen (Kulturinstitutionen) diese für privates gemeinnütziges Engagement öffnen. Anders als in Deutschland, Österreich und Liechtenstein sind öffentlich-rechtliche Stiftungen in der Schweiz ein bisher wenig genutztes Instrument zur Förderung der Philanthropie, wie auch zur Modernisierung des Staates. Durch solche Massnahmen liesse sich das Stiftungswesen in der Schweiz weiterentwickeln und ihre Rolle als Drehscheibe für philanthropische Aktivitäten stärken.

Dieser Artikel erschien in «Finanz und Wirtschaft» vom 07.10.2014
unter dem Titel «Auch für Stiftungen attraktiv bleiben». 
Mehr dazu im neuen Diskussionspapier «Schweizer Stiftungswesen im Aufbruch».