Die Schweiz leistet sich nach den USA und Norwegen das teuerste Gesundheitssystem der Welt, das zudem von Jahr zu Jahr teurer wird. 1995 betrugen die Gesundheitskosten noch 40 Mrd. Fr., 2012 waren es (inflationsbereinigt) 68 Mrd. Fr. Das entspricht einem realen Ausgabenwachstum von 70%, während das Bruttoinlandprodukt gleichzeitig lediglich um etwa die Hälfte zugenommen hat. Ähnliches ist auch anderswo zu beobachten, weil alle Gesundheitswesen weit von einem freien Markt entfernt sind. So läuft ein grosser Teil der Leistungen über Versicherungen. Das macht die Menschen weniger vorsichtig und weniger kostenbewusst; erst recht, wenn die Prämien nicht risikoabhängig gestaltet sind. Zudem herrscht Informationsasymmetrie: Die Ärzte können aufgrund ihres Wissensvorsprungs die Patienten zu teureren Behandlungen animieren, als sie selbst bei gleichem Wissen nachfragen würden (angebotsinduzierte Nachfrage). Und schliesslich wird das Gesundheitswesen über Prämienverbilligungen und direkte staatliche Zahlungen (z. B. an Spitäler) massiv subventioniert.

Ärztedichte als Kostentreiber

Mehr Ärzte - höhere GesundheitskostenDas Augenmerk dieser wirtschaftspolitischen Grafik gilt daher einem helvetischen Spezifikum, den starken regionalen Unterschieden. Während im Kanton Neuenburg pro 1000 Einwohner 5,1 Mio. Fr. für das Gesundheitswesen ausgegeben werden (alle öffentlichen Ausgaben von 2011 und private Prämienzahlungen sowie Kostenbeteiligungen der obligatorischen Grundversicherung von 2013 zusammengerechnet), beträgt die Vergleichszahl im Kanton Zug bloss 3,7 Mio. Fr. Auch das Kostenwachstum ist von Kanton zu Kanton unterschiedlich. Diese Differenzen lassen sich mit den erwähnten Kostentreibern nicht erklären. In verschiedenen Studien werden daher unter anderem das Alter der Bevölkerung, das Einkommensniveau, der Grad der Verstädterung und die Ärztedichte verantwortlich gemacht.

Wir konzentrieren uns hier auf Letztere. Die Grafiken zeigen einen deutlichen Zusammenhang zwischen der Zahl der Ärzte und den Gesundheitskosten (ohne Bundesbeiträge). Er gilt für die öffentlichen Gesundheitskosten, also die kantonalen Prämienverbilligungen und Subventionen an die Leistungserbringer, etwa Spitäler (Grafik 1), wie auch für die privaten Gesundheitsausgaben (Grafik 2). Letztere umfassen in unserer Grafik mangels verfügbarer Daten nur die Kosten, die durch die obligatorische Kranken- und Pflegeversicherung entstehen – eingerechnet sind sowohl die Prämienzahlungen als auch die Kostenbeteiligung.

Der Befund mag erstaunen, denn normalerweise sinkt der Preis auf einem Markt, wenn das Angebot wächst. Wo aber Arzttarife vorgegeben und reguliert sind, führt eine Zunahme der Ärztedichte nicht zu Preiswettbewerb, sondern zu steigenden Gesundheitskosten. Nun liegt der Einwand nahe, die Ärztedichte sei aus nachvollziehbaren Gründen in urbanen Kantonen, in denen mehr als die Hälfte der Bevölkerung in Gemeinden mit mehr als 10 000 Einwohnern lebt – in unserer Grafik blau eingefärbt -, höher, und somit erkläre nicht die Ärztedichte, sondern der Grad der Verstädterung die unterschiedlichen Gesundheitsausgaben pro Einwohner. Doch selbst wenn man die «blauen» Kantone aus den Grafiken entfernt, zeigt sich eine mittlere bis starke Korrelation zwischen Ärztedichte und Gesundheitskosten. Die Ärztedichte ist also unabhängig von der Urbanisierung ein Treiber der Gesundheitskosten. Das Problem wird noch verschärft, weil es mit ungewollten, intransparenten Umverteilungen einhergeht – von jüngeren zu älteren Personen (gemäss einer HSG-Studie betrug diese Umverteilung in der obligatorischen Krankenversicherung 2010 rund 4,9 Mrd. Fr.), und von reicheren zu ärmeren.

Da die Ärztedichte als Kostentreiber erkannt wurde, führte der Bundesrat 2002 einen Ärztestopp ein, den er 2011 aufhob und zwei Jahre später nochmals verhängte. Das rigide Instrument hat sich allerdings bisher kaum bewährt. Zudem setzt es keinerlei Anreize für die Eröffnung von Praxen in Randregionen und für Effizienzsteigerungen.

Auktionen statt Ärztestopp

Eine deutlich bessere Art der Kontrolle von Ärztezulassungen wäre ein Auktionsmodell, wie es Avenir Suisse vor einiger Zeit vorgeschlagen hat, denn bei einem Ärztestopp müssen Ärzte im Besitz einer Praxis keine Konkurrenz fürchten. Sie können zusätzliche Renten abschöpfen, weil «Outsider» kaum in den Markt eintreten können, selbst wenn sie besser ausgebildet sind und ihre Leistungen günstiger anbieten. Der Regulator müsste also für jede Region die Zahl notwendiger Ärzte bzw. Arztpraxen festlegen. Bei der öffentlichen Ausschreibung für den Betrieb der Praxen könnte er dann zu Beginn einen Behandlungstarif offerieren, der zum Beispiel 20% unter dem existierenden liegt. Wären bei diesem Tarif zu wenig Ärzte bereit, eine Praxis zu übernehmen, müsste der Regulator den Tarif stufenweise erhöhen, bis ausreichend Ärzte Bereitschaft signalisieren.

Das Auktionsmodell hat zwei Vorteile. In Kantonen mit hoher Ärztedichte wären dank der Konkurrenz bei der Ausschreibung tiefere Tarife zu erwarten. Und in ländlichen Gebieten könnten höhere Tarife einen drohenden Ärztemangel abwenden.

Dieser Artikel erschien in der «Neuen Zürcher Zeitung» vom 25.10.2014.
Mit freundlicher Genehmigung der «Neuen Zürcher Zeitung».