Die Faktenlage ist eindeutig: Das regulatorische Dickicht in der Schweiz wird immer engmaschiger und damit zu einer echten Belastung für die Schweizer Wirtschaft. Innert der letzten zehn Jahre ist die Seitenzahl der in der systematischen Rechtssammlung des Bundes erfassten Erlasse des Landes- und des Staatsvertragsrechtes von 54 000 auf 66 000 Seiten gestiegen. Dabei wird eine Vielzahl von Gesetzen in dieser Sammlung gar nicht erfasst, etwa jene der Kantone oder der Gemeinden, besonders aber diejenigen der immer aktiveren Aufsichtsbehörden, wie beispielsweise der FINMA. Im internationalen Vergleich ist die Schweiz im allerseits anerkannten «Doing Business Report» der Weltbank vom noch akzeptablen Platz 11 im Jahr 2005 auf den besorgniserregenden Platz 29 (2014) zurückgefallen. Sie liegt damit hinter Ländern wie Deutschland oder Japan. Es stellt sich deshalb die zentrale Frage, weshalb sich so wenig Widerstand aus Wirtschaft und Politik formiert und warum die bestehenden Instrumente der Verwaltung wie die Regulierungsfolgenabschätzung faktisch wirkungslos bleiben. Drei Ursachen stehen im Vordergrund:

Glaube an die Wirksamkeit neuer Regulierungen

An erster Stelle steht zweifelsohne der ungebrochene Glaube an die Lösung von gesellschaftlichen und ökonomischen Problemen mit neuen Gesetzen und Vorschriften. Dieser Glaube ist in weiten Kreisen der Politik und der Administration stark verwurzelt. Nur selten werden alternative, marktkonforme Lösungsansätze evaluiert und der vorgeschlagenen Regulierung gegenübergestellt. Zudem werden die volkswirtschaftlichen Kosten von neuen Regulierungen viel zu wenig in die Überlegungen einbezogen.
Häufig hängt dies damit zusammen, dass die regulierende Behörde/Verwaltung vor einem akuten Interessenkonflikt steht. Das jeweils federführende Bundesamt müsste die Arbeit des Parlaments, die eigenen Anstrengungen oder gar einen Volksentscheid in Frage stellen. Zudem kann die Verwaltung oder eine aufsichtsrechtliche Institution ihren Einflussbereich (inkl. Beförderungen, Lohneinstufung) mit zusätzlicher Regulierung tendenzmässig vergrössern, was einer Eindämmung der Regulierungsflut diametral entgegen wirkt.
Ein Beispiel des ungebrochenen Glaubens an die Wirksamkeit neuer Regulierungen ist die Entwicklung im Finanzsektor. Es herrscht ein populistischer, politischer Konsens, dass die Banken nach der Finanzkrise deutlich mehr Regulierungen jeglicher Art brauchen, und dass sie sich diese auch problemlos leisten können. Ob es nicht effizientere, marktkonformere Wege gäbe, das Ziel der grösseren Finanzmarktstabilität zu erreichen, wird wenig diskutiert, obwohl renommierte Wissenschaftler (Admati und Hellwig 2013 und andere) solche vorgeschlagen haben. Eine für ein Regulierungsvorhaben von solch grosser volkswirtschaftlichen Bedeutung eigentlich zwingend notwendige Regulierungsfolgenabschätzung wurde zwar vorgenommen, aber von der regulierenden Behörde, der FINMA selbst. Der offensichtliche Interessenkonflikt führte denn auch dazu, dass lediglich ein paar Plausibilitätsüberlegungen vorgelegt wurden, welche eher Rechtfertigungsversuche als seriöse Analyse darstellen.

Globalisierung als Regulierungstreiber

Eine ebenso wichtige Rolle bei der Entstehung des Regulierungsdickichts spielt die fortschreitende Globalisierung der Schweizer Wirtschaft. Häufig kann nur mit neuen Vereinbarungen und Regeln der Marktzutritt zu neuen und expandierenden Märkten gewährleistet werden. Die Schweiz spielt dabei aber eine allzu passive Rolle bei der Entstehung neuer Regeln – und eine allzu eifrige bei deren Umsetzung. Oft werden ausländische Regulierungen völlig unnötigerweise wortwörtlich übernommen, in einzelnen Fällen sogar noch verschärft, wie zum Beispiel beim Swiss Solvency Test für die Versicherungswirtschaft, oder beim Swiss Finish von Basel II und III. Auch die jüngst präsentierte Vernehmlassung des Bundesrates zum Finanzdienstleistungsgesetz (Fidleg) entspricht der Vorgabe des Finanzdepartements, dass international gültige Standards, namentlich jene der EU, grundsätzlich übernommen werden.

Zahnlose Regulierungsfolgenabschätzung

Die dritte Ursache liegt in der Unwirksamkeit der vom Bund eingeführten Instrumente zur Einschränkung der Regulierungsdichte. Im Rahmen der Totalrevision der Bundesverfassung 1999 wurde das Parlament beauftragt, dafür zu sorgen, «dass die Massnahmen des Bundes auf ihre Wirksamkeit überprüft werden» (Art. 170 BV). Wichtigster Schritt in der Umsetzung dieses Verfassungsartikels war die Einführung der sogenannten Regulierungsfolgenabschätzung (RFA). Die RFA beinhaltet eine vorausschauende Untersuchung der volkswirtschaftlichen Auswirkungen neuer Gesetzesvorlagen. Die praktischen Erfahrungen mit dieser Art von-Analysen sind trotz jahrelanger Forschungsarbeit im In- und Ausland ernüchternd. Weder die Kosten, noch der Nutzen von Regulierungen lassen sich zuverlässig berechnen. Besonders die Quantifizierung des Nutzens hat sich als schwierig bis unmöglich erwiesen; erstens, weil diese stark von individuellen (politischen) Präferenzen abhängt, und zweitens, weil es oft keine Marktpreise zur Bewertung des Nutzens gibt. Beispiele dafür sind der Gesundheitsbereich, die Sicherheit oder der Umwelt- und Gesundheitsschutz.
Schleichender Prozess

Das Entstehen eines immer dichteren Regulierungsdschungels ist ein schleichender Prozess, die negativen ökonomischen Folgen sind oft nur nach einer gewissen Dauer feststellbar. Zudem ist meist nicht eine einzelne Regulierung das Problem, sondern der kumulative Effekt aller geltenden Regulierungen wird zum eigentlichen Wachstumshindernis. Im heutigen von Unsicherheit geprägten internationalen wirtschaftlichen Umfeld wird es aber umso wichtiger, dass wir die Regulierungsdichte als hausgemachten Bremsfaktor für unsere Wirtschaft besser in den Griff bekommen. Im Diskussionspapier «Auswege aus dem Regulierungsdickicht» schlägt Avenir Suisse einen von einer unabhängigen Stelle durchgeführten obligatorischen Regulatory Quality Checkt und die Einführung einer Regulierungsbremse vor.