Was ist eigentlich ein Staat? Ist ein Staat die «mit ursprünglicher Herrschaftsmacht ausgerüstete Körperschaft eines sesshaften Volkes» (Georg Jellinek)? Oder ist er ein auf Legitimität gestütztes «Herrschaftsverhältnis von Menschen über Menschen» (Max Weber)? Ist er ein notwendiges, aber auf ein Minimum zu beschränkendes Instrument, um die Freiheit und Sicherheit der Einzelnen zu gewährleisten, wie es der Liberalismus sieht? Oder ist der Staat gar eine sittliche Ordnung (Rousseau)? Wie auch immer – ohne seine Bürger ist der Staat nichts. Erst seine Bürger verleihen dem abstrakten Gebilde Inhalt, Leben, Dynamik, Charakter und Werte. Und nicht zuletzt dies entscheidet darüber, ob ein Staat erfolgreich ist oder nicht.

Die Bürger ihrerseits sind als soziale Wesen wiederum geprägt durch das, was die Geschichte und damit die Generationen vor ihnen gedacht und geleistet haben. Sie knüpfen an Bestehendes an, denn niemand beginnt bei Null. Und sie geben ihre Leistungen an ihre Nachfolger weiter. Von Generation zu Generation weitergegebene und weiterentwickelte Traditionen und Tugenden  (und auch Untugenden) machen somit die Gegenwart und auch die Zukunft des Staates aus. Zukunft braucht Herkunft, so sieht es der deutsche Philosoph Odo Marquard.

Der Staat sind also wir alle. Auf die Schweiz mit ihrem obrigkeitskritischen, republikanischen und genossenschaftlichen Staatsverständnis trifft dies ganz besonders zu. Hier kann jeder Bürger ab dem Alter von 18 Jahren auch bei komplexen Sachfragen mitbestimmen. Das Land ist nicht nur direktdemokratisch, sondern auch föderalistisch: Gemeinden und Kantone prägen es mehr als der Bund. Das schafft Bürgernähe. Und die Milizidee insbesondere in Politik und Armee sorgt für eine echte Demokratie im wörtlichen und umfassenden, nicht nur im repräsentativen Sinne. Es geht um echte Teilnahme und Teilhabe.

Dieses Modell hat sich bewährt. Auch wenn sich nach dem 9. Februar 2014 einige aussenpolitische Wolken am Horizont gebildet haben, steht die Schweiz so gut da wie kaum ein zweites Land. Es sind typisch schweizerische Tugenden, die bei diesem Erfolg Pate gestanden sind. Werte wie Bürgersinn, Offenheit und Bescheidenheit. Vielleicht tönen sie altmodisch, aber sie sind in Wirklichkeit modern und die wichtigsten Zutaten im schweizerischen Erfolgsrezept. Obwohl oder gerade weil die Globalisierung diese Worte unter Druck setzt, ist es für die Zukunft und das Gedeihen der Schweiz wichtig, dass auf ihre eigenen Werte setzt, sie pflegt, sie aber auch weiter entwickelt und an die Jungen weitergibt.