Die Arbeit im Stiftungsrat einer Vorsorgeeinrichtung ist anspruchsvoll. Es geht um viel Geld, das renditebringend angelegt werden muss. Ebenso geht es um komplexe Einschätzungen künftiger Verpflichtungen, die Rentnern und ihren Familien gewährt werden müssen. Dazu kommen jedes Jahr neue Vorschriften. Kurz: Die Materie wird immer komplexer. Es ist kaum bestritten, dass die Anforderungen an die Stiftungsräte hoch sind und die als Miliz organisierte berufliche Vorsorge auf die Probe stellen. Doch der Ruf nach obligatorischen Ausbildungen für Stiftungsräte ist nicht zielführend, sondern sogar kontraproduktiv.

Vielfalt statt Einheitsdoktrin

Der Stiftungsrat muss als Gremium über alle notwendigen Kompetenzen für die Aufsicht einer Pensionskasse verfügen, nicht jedes einzelne Ratsmitglied. Es ist auch kaum möglich, von jedem die Expertise über das Anlagemanagement, das Risikomanagement oder die rechtlichen Angelegenheiten usw. zu verlangen. Wichtig ist hingegen, dass Themen aus unterschiedlichen Blickwinkeln debattiert werden. Schon deshalb ist eine Homogenisierung des Wissens nicht erstrebenswert.

Wichtig ist aber auch, dass der Stiftungsrat nicht von der Expertise einer Einzelperson abhängig ist, damit kritische Auseinandersetzungen innerhalb des Gremiums stattfinden. Daraus sollte sich der Ausbildungsbedarf der einzelnen Mitglieder ableiten. Darum ist es auch sinnvoll, diese Zuständigkeit beim Stiftungsrat zu lassen und die Anforderungen nicht gesetzlich regeln zu wollen.

Zudem variieren die Anforderungen an den Stiftungsrat je nach Pensionskasse stark (Sammelstiftung vs. firmeneigene Kasse, öffentliche vs. privatrechtliche Rechtsform, Leistungs- vs. Beitragsprimat usw.). Es wäre illusorisch, die Vielfalt der Anforderungen in einem Gesetz oder in einer Verordnung abbilden zu wollen. Entweder wären sie zu detailliert oder so allgemein formuliert, dass sie kein Mehrwert brächten. Auch wäre der Kontrollaufwand immens und nicht zielführend. Ausser Spesen, nichts gewesen.

Schliesslich würde eine Ausbildungspflicht die Suche nach neuen Stiftungsräten zusätzlich erschweren. Wer würde sich in der Politik engagieren, wenn er zuerst eine Staatskundeprüfung absolvieren müsste? Oder wer würde Nachbarhilfe leisten, wenn er dafür einen Kurs des Roten Kreuzes nachweisen müsste? Der Milizgedanke ist ein wichtiges DNA-Element der sozialpartnerschaftlichen Organisation der beruflichen Vorsorge. Interessierten Laien aus allen Firmenbereichen soll der Zugang zum Stiftungsrat ermöglicht werden, damit unterschiedliche Ansichten vertreten werden. Es ist dann die Aufgabe des Stiftungsratspräsidenten, die nötigen Bedingungen zu schaffen, damit neue Mitglieder in ihre Rolle hineinwachsen können.

Freiwillige Ausbildung als Anreiz

Ein anerkanntes, freiwilliges «Stiftungsrat-Diplom» könnte aber Mitarbeiter motivieren, sich für die Funktion (und die damit verbundene Weiterbildungsmöglichkeit) zu bewerben. Es würde auch ihre im Rat erworbenen Kompetenzen dokumentieren. Ein solches Angebot kann ohne gesetzliche Verpflichtungen entstehen. Es werden bereits viele Weiterbildungskurse für Stiftungsräte angeboten (vom ASIP, von Sozialpartnern, usw.). Was vielleicht fehlt, ist ein Gesamtkonzept, um diese Kurse als Lehrgang zu gestalten. Um der Vielfalt der Bedürfnisse – der Pensionskassen wie auch der Ratsmitglieder selber – gerecht zu werden, müsste ein solcher Lehrgang modular aufgebaut sein. Je nach Berufserfahrung müssten Module ausgelassen werden können. Es macht zum Beispiel kaum Sinn, einen Finanzchef zu einem Grundkurs über Finanzmärkte zu verdonnern.

Wissensniveau in verschiedenen Abstufungen

Auch sollte ein solcher Lehrgang unterschiedliche Abschlussniveaus anbieten. Man könnte in Analogie zur Six-Sigma-Ausbildung im Qualitätsmanagement einen «Orange, Green and Black Belt»-Stiftungsrats-Status einführen. Damit könnte man auch erfahrene Stiftungsratsmitglieder zu einer Weiterbildung motivieren. Freiwillige, massgeschneiderte Lösungen entsprechen nicht nur den individuellen Bedürfnissen besser, sondern steigern auch die Lernmotivation: Zuckerbrot wirkt besser als Peitsche.

Dieser Artikel erschien in der Ausgabe 02/2015 der Publikation 
«AWP Soziale Sicherheit» unter dem Titel «Weiterbildung: 
Zuckerbrot statt Peitsche».