Die Volksinitiative, der Grundpfeiler der schweizerischen direkten Demokratie, hat sich von ihrer eigentlichen Bestimmung als Oppositionsinstrument der Stimmbürger entfernt. Sie fungiert heute verstärkt als Wahlkampfinstrument gewisser Regierungsparteien oder als Werbeinstrument für die Anliegen spezifischer Splittergruppen. Die Erfolgschancen von Volksinitiativen haben sich in den letzten Jahren erheblich verbessert. Während von 1891 bis 2001 – also in 110 Jahren – von 145 Volksinitiativen gerade einmal 12 angenommen wurden, waren es alleine seit 2002 ganze 10 (von 53). Von den angenommenen Initiativen wurde jedoch kaum eine gemäss dem Wunsch ihrer Urheber umgesetzt. Das birgt eine nicht zu unterschätzende Gefahr: Je häufiger die Bürger feststellen, dass eine Umsetzung nur soweit erfolgt, als sie niemandem weh tut, desto leichtfertiger werden sie radikale Initiativen unterstützen. Die Volksinitiative würde damit an realer Wirkung verlieren, aber trotzdem bzw. sogar vermehrt eine ständige Quelle der institutionellen Verunsicherung darstellen.

Durch ein Bündel von kleinen, aber effektiven Reformen könnte der Einsatz der Volksinitiative besser strukturiert und versachlicht werden, damit die Qualität und Legitimation der Entscheide steigt. Die Reformen, die einzeln oder kumulativ umgesetzt werden können, sollen den Volksrechten wieder zu ihrem Recht verhelfen.

1. Prüfung durch die Bundeskanzlei vor der Unterschriftensammlung: Heute liegt die Prüfung der inhaltlichen Gültigkeit von Volksinitiativen beim Parlament. Dieses befindet sich in dieser Sache jedoch in einem Interessenkonflikt. Die Bundeskanzlei könnte bei einer Prüfung noch vor der Unterschriftensammlung etwas strikter und unabhängiger vorgehen.

2. Höhere Unterschriftenhürde: In der jetzigen Form hat die Volksinitiative eine Veränderung der Verfassung – also der obersten Rechtsnorm – zum Ziel. Eine inhaltliche Einschränkung wäre deshalb unlogisch. Die Unterschriftenhürde sollte aber von 100‘000 auf derzeit 210‘000 (4% der Stimmberechtigten) erhöht werden.

3. Referendum über Ausführungsgesetzgebung: Die Phase der gesetzlichen Konkretisierung einer angenommenen Volksinitiative ist oft Gegenstand taktischer Spielereien. Ein obligatorisches Referendum über die Ausführungsgesetzgebung würde solche Spielereien obsolet machen, weil den Stimmbürgern dann auch in diesem Prozess ohnehin immer das letzte Wort gehörte. Damit könnten auch Zweifel an der «Respektierung des Volkswillens» ausgeräumt werden.

4. Einführung der Gesetzesinitiative: Die Verfassungswürdigkeit vieler Volksinitiativen ist heute zweifelhaft. Verfassungskonforme Vorstösse sollen deshalb direkt auf Gesetzesebene eingebracht werden können. Auf Kantonsebene ist die Gesetzesinitiative schon seit über 100 Jahren etabliert. Für die Einreichung einer eidgenössischen Gesetzesinitiative sollten die Unterschriften von 2% der Stimmberechtigten ausreichen. Mit 105‘000 Unterschriften wäre die Hürde also ungefähr gleich hoch wie sie es derzeit für die (Verfassungs-)initiative ist.

5. Nur noch eine Initiative pro Abstimmungstag: Wenn mehrere Initiativen zeitgleich zur Abstimmung kommen, steigt die Gefahr, dass über einzelne Vorstösse relativ uninformiert abgestimmt wird. Die Regel, pro Abstimmungstag nur eine Initiative zuzulassen, würde die Seriosität der politischen Debatte fördern.

Die Reformvorschläge bedeuten nicht eine Begrenzung der direkten Demokratie, sondern eine Fokussierung und Differenzierung: Sie gründen auf dem Vertrauen, dass bei den Stimmbürgern wie auch bei den anderen Akteuren mit dem Sinn für die Verbindlichkeit dieses Instruments die Verantwortung im Umgang mit ihm wachsen wird.