Unternehmensgewinnsteuern werden gerne als eine Art Gegenleistung für die Ausgaben der öffentlichen Hand betrachtet, wie Infrastruktur, Rechtssicherheit und Bildung. Diese Argumentation lässt sich durchaus nachvollziehen – wieso sollten nur Privatpersonen für die Leistungen des Staates bezahlen? Die real existierende Unternehmensgewinnsteuer ist allerdings weit von diesem Ideal entfernt. Es besteht mittlerweile kaum mehr ein Zusammenhang zwischen den konsumierten staatlichen Leistungen einer Unternehmung und der Höhe der Besteuerung – ganz sicher nicht, wenn es darum geht, wie neuerdings vorgeschlagen, die Fernseh- und Radiogebühren durch Unternehmen zahlen zu lassen.

Die Unternehmensgewinnsteuer ist somit eine unter vielen Finanzierungsquellen des Staates geworden. Es stellt sich deshalb die Frage, ob die Unternehmensgewinnsteuer als Finanzierungsquelle geeignet ist. Entscheidend ist nicht, wer die Steuer auf dem Papier bezahlt, sondern wer sie letztlich trägt und welche Effekte – beispielsweise auf das Einkommenswachstum – sich daraus ergeben, denn wie die Hunde die Hundesteuer, zahlen auch die Unternehmen die Unternehmensteuer nicht selber . Wer zahlt sie dann? Nicht nur die Aktionäre und Firmeninhaber: zahlreiche Studien zeigen, dass die Unternehmensgewinnsteuer zu einem beträchtlichen Teil (möglicherweise bis zur Hälfte) von den Arbeitnehmern und den Konsumenten getragen wird. Die Unternehmen überwälzen einen Teil der Steuer auf die Löhne (ohne Gewinnsteuern wären die Löhne höher), in geringerem Ausmass auch auf die Produktpreise. Entgegen der eigentlichen Absicht werden damit nicht nur die Gewinne des Unternehmens besteuert, sondern auch die Löhne der Angestellten.

Damit nicht genug: Unternehmensgewinne sind nichts anderes als Kapitaleinkommen (so wie Unternehmen letztlich ein Vehikel für die Ersparnisse der Haushalte darstellen). Die Besteuerung von Kapitaleinkommen vermindert den Anreiz, Kapital zu bilden, das heisst, zu sparen und in Maschinen oder Innovationen zu investieren. Damit wird die Wirtschaft auf einen niedrigeren Wachstumspfad geführt, von dem niemand – weder Unternehmer noch Arbeitnehmer – langfristig profitiert. Diese Einsicht, die erst 1988 von den zwei Finanzwissenschaftern Christophe Chamley und Kenneth Judd hergeleitet wurde, hat die Meinung vieler Ökonomen (jedoch nicht der Politiker) zur Unternehmensgewinnsteuer radikal geändert.

Letztlich gibt es nur ein ökonomisch stichfestes Argument für die Besteuerung von Unternehmensgewinnen: die Gefahr, dass andernfalls die Löhne in Form von Gewinnen ausbezahlt würden, beispielsweise durch eine Scheinselbständigkeit. Wichtig dabei ist, dass die Unternehmensgewinnsteuer (analog zur Einkommenssteuer von natürlichen Personen) konsumorientiert gestaltet wird, beispielsweise mit einer Möglichkeit zum Abzug der Eigenkapitalzinsen. In ihrer heutigen Form ist die Unternehmensgewinnsteuer eine ökonomisch schädliche Steuer, weil sie Kapitaleinkommen mehrfach belastet. In vielen Analysen schnitt sie deshalb von allen Steuern am schlechtesten ab. Bei keiner anderen Steuer ist der Rückgang des Bruttoinlandprodukts pro zusätzlich generiertem Steuerfranken stärker.

Lesen Sie mehr zur Unternehmensgewinnsteuer im Buch «Zwischen Last und Leistung – Ein Steuerkompass für die Schweiz», Marco Salvi und Luc Zobrist, NZZ Libro, 2013