Entgegen der landläufigen Meinung ist in der Schweiz die Arbeitslosenquote der 55-Jährigen und Älteren tiefer als diejenige jüngerer Kollegen. Sie beträgt 3,3 %, verglichen mit 4,9 % für die 25- bis 39-Jährigen. Anders formuliert gehen 97 % der älteren Mitarbeiter einer Beschäftigung nach. Das weist die Arbeitslosenstatistik der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) per Ende 2014, die auch ausgesteuerte Arbeitslose berücksichtigt, aus. Selbst wenn die Langzeitarbeitslosigkeit in dieser Altersgruppe stärker ausgeprägt ist, finden 41 % der 55-Jährigen und Älteren, die ihre Stelle verlieren, innerhalb eines Jahres einen neuen Job. Unser liberaler Arbeitsmarkt funktioniert also noch. Auch das muss betont und geschützt werden.

Druck der Babyboomer

Trotz dieser statistischen Evidenz fokussiert die mediale Berichterstattung auf tragische Schicksale älterer Langzeitarbeitsloser, was die Unsicherheit bei den 55plus hebt. Die Angst, die Stelle im höheren Alter zu verlieren, ist gross. Mit der Ankunft der geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer in dieser Alterskategorie könnte der Druck auf die Sozialpartner und Politik steigen, weitere Schutzregelungen für ältere Mitarbeiter einzuführen. Sozialpläne, die etwa eine Freistellung ab Alter 58 verbieten, grosszügige Entschädigungen bei Zwangspensionierung vorsehen usw., würden zwar denjenigen helfen, die bereits eine Stelle haben. Sie würden jedoch den Arbeitsmarkt der Senioren verkrusten und damit die Anstellung älterer Arbeitsloser erschweren.

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Zweischneidige Altersprivilege

 

Regelungen, die die Lohnkosten älterer Mitarbeiter verteuern, sind ebenfalls zu vermeiden, weil sie ihre Verdrängung aus dem Arbeitsmarkt fördern. So ist die Vorstellung eines mit dem Alter steigenden Lohnes immer weniger zeitgemäss, auch wenn solche Lohnschemata von 26% der Unternehmen praktiziert werden. Dieser Verdrängungseffekt wird durch die mit dem Alter steigenden Beiträge der beruflichen Vorsorge verstärkt. Ähnlich ist es mit zusätzlichen Ferienwochen im steigenden Alter, die von zwei Dritteln der Firmen angeboten werden. Die Kumulierung von altersabhängigen Löhnen, Sozialbeiträgen und Ferienansprüchen kann die Lohnkosten eines 60-Jährigen schnell um 10 % und mehr verteuern.

Dienstjahre statt Jahrgänge

Nicht in jedem Fall können diese Zusatzkosten durch erhöhte Produktivität kompensiert werden. Deshalb sind Personalpolitiken anzustreben, die allen Mitarbeitern – altersunabhängig – zugutekommen. Berufserfahrung und Firmenloyalität dürfen wohl honoriert werden. Dafür sind Regelungen, die auf der Anzahl Dienstjahre basieren, solchen auf der Basis von Jahrgängen vorzuziehen. Jubiläumsgeschenke anerkennen die Leistung langjähriger Mitarbeiter nicht nur und helfen Personalfluktuationskosten zu senken, sondern stellen Rekrutierungskandidaten mit gleicher Erfahrung, egal welchen Alters, auf den gleichen Stand. Letztere haben alle Null Dienstjahre, und niemand wird aufgrund des Jahrgangs diskriminiert.

Dieser Artikel erschien in der «Zürcher Wirtschaft» vom 12.03.2015