Die Schweizerische Depeschenagentur (sda) und damit eine Vielzahl der Printmedien titelte am 8. April: «Avenir Suisse fordert höhere Hürden für Volksinitiativen». Zeit ist bekanntlich ein knappes Gut. Wer es sparsam einsetzt und deshalb nur diese Überschrift las, konnte sich des Eindrucks kaum erwehren, Avenir Suisse wolle die Volksrechte beschränken. Dem ist aber nicht so, und das soll hier darum noch einmal in aller Deutlichkeit betont werden.

Für die bisherige Form der Volksinitiative, die gezwungenermassen immer auf Verfassungsebene ansetzt, wird zwar in der Tat eine Erhöhung der Unterschriftenzahl auf fix 4% der Stimmberechtigten (2015: 210‘000 Unterschriften) angeregt. Parallel dazu wird aber die Einführung der Gesetzesinitiative vorgeschlagen, die fast für den «Preis» der bisherigen Volksinitiative – nämlich unterschrieben von 2% der Stimmberechtigten (105‘000) – zu haben sein soll. Das Stimmvolk soll also neu die Möglichkeit haben, (verfassungskonforme) Anliegen direkt auf Gesetzesebene einzubringen, statt den Umweg über die Verfassung gehen zu müssen, wo der Ausgang bei der Ausführungsgesetzgebung ungewiss ist. Auch der Vorschlag, die auf eine angenommene Verfassungsinitiative folgende Ausführungsgesetzgebung dem obligatorischen Referendum zu unterstellen, bedeutet einen Ausbau der direktdemokratischen Mitsprache.

Interessanterweise ist nicht nur die Erhöhung der Unterschriftenzahl für die Verfassungsinitiative, sondern – unter jenen, die den Vorschlag überhaupt wahrgenommen haben – auch die Gesetzesinitiative teilweise auf Skepsis gestossen. Statt dem Vorwurf, man wolle die Volksrechte einschränken, wurde da die Frage geäussert, was denn dem Parlament noch an Kompetenz verbleibe, wenn Gesetzesinitiativen zugelassen würden. Wenn einem von der einen Seite also vorgeworfen wird, man wolle die Volksrechte beschneiden, und von der anderen, man entmachte das Parlament, ist das ein Zeichen dafür, dass die Reformvorschläge gesamthaft ziemlich ausgewogen sind.

Ebenso wenig wie aber eine Erhöhung der Unterschriftenhürden für die Verfassungsinitiative in Verbindung mit der Einführung der Gesetzesinitiative eine Einschränkung der Volksrechte darstellt, hat die Gesetzesinitiative ein arbeitsloses Parlament zur Folge. Alle Kantone kennen seit über 100 Jahren die Gesetzesinitiative. Trotzdem stammt der allergrösste Teil der kantonalen Gesetzgebung aus der Feder der Parlamente. Zudem hätten National- und Ständerat selbstverständlich auch bei der Gesetzesinitiative die Möglichkeit, einen Gegenvorschlag auszuarbeiten. Dieser würde gleichzeitig mit der Gesetzesinitiative dem Volk zur Abstimmung unterlegt, oder träte, falls die Initianten ihren Vorstoss zurückziehen, gar ohne Volksabstimmung in Kraft.

Unter dem Strich sollte klar sein: Ziel der fünf Reformvorschläge ist es nicht, die direktdemokratische Mitsprache zu schwächen, sondern sie so umzustrukturieren, dass sie fokussierter und verbindlicher wird. Dass die deutlichste Kritik an den Vorschlägen hauptsächlich vom rechten Rand des politischen Spektrums zu kommen scheint, ist eigentlich erstaunlich, denn die Gesetzesinitiative dürfte auch für diese Kreise ein willkommenes Instrument sein, und zumindest die SVP hat mit ihren bisherigen Initiativen die 100‘000 heute geforderten Unterschriften hie und da schon weit übertroffen. Es drängen sich zwei Erklärungen dafür auf: Entweder resultiert die Ablehnung wirklich aus Unkenntnis des gesamten Reformpakets oder sie ist – ganz unabhängig vom Inhalt der Vorschläge – auf eine reflexartige Ablehnung jeder öffentlichen Debatte über die als unantastbar geltenden Volksrechte zurückzuführen.

Gerade der Vorschlag der Gesetzesinitiative zeigt, dass Avenir Suisse grosses Vertrauen in die Intelligenz der Masse hat und eben nicht aus der Warte eines «Politestablishments» oder einer «intellektuellen Elite» heraus argumentiert. Denn in der Gesetzesinitiative kann man durchaus ein Risiko sehen: Bisher war es dem Parlament möglich, radikalen Volksinitiativen in der danach auszuarbeitenden Gesetzgebung den Zahn zu ziehen. Dieser Prozess wird von einigen Politologen als vorsichtig austariertes Machtgefüge, an dem nicht gerüttelt werden sollte, bezeichnet und idealisiert. Der Prozess entspricht aber nicht unserem Verständnis einer guten direkten Demokratie: Aus liberaler Perspektive kann die einzig logische Massnahme nur lauten, den Stimmbürgern – wie auf Kantonsebene überall verwirklicht – die (verfassungskonforme) Rechtsetzung direkt über die Gesetzgebung zu erlauben und darauf zu vertrauen, dass sie diese Freiheit mit der nötigen Verantwortung und Vorsicht nutzen.

Weitere Informationen zum Thema finden Sie im Diskussionspapier «Die Volksinitiative – durch Fokussierung zu mehr Erfolg».