Laut dem «Big Mac Index» des Economist ist der Schweizer Franken derzeit die am meisten überbewertete Währung der Welt – gegenüber dem Euro sogar um rund 75%. Der Big Mac Index geht von der Annahme aus, dass ein weltweit identisches Gut kaufkraftbereinigt auch überall gleich viel kosten sollte. Aber nicht nur regional unterschiedliche Preise für die Zutaten – Weizen, Rindfleisch und Salat –, sondern auch z. B. unterschiedliche Löhne führen dazu, dass sich der Zürcher Big Mac preislich erheblich von demjenigen in Kapstadt, Prag oder San Francisco unterscheidet.

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Hochlohninsel Schweiz

Und genau hier liegt ein wichtiger Punkt: Die Schweiz ist nicht nur teuer – für ausländische Gäste sogar sehr teuer –, sondern man verdient hier auch sehr gut. Eine andere Lesart bietet der «Big Mac Index» der UBS-Studie «Preise und Löhne», in der die Grossbank verglich, wieviel ein Big Mac gemessen am inländischen Lohnniveau wert ist, also wie lange jemand mit einem durchschnittlichen Netto-Stundenlohn (Mittel aus 15 Berufen, nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben) arbeiten muss, um sich den kalorienreichen Imbiss leisten zu können. In Zürich reichten 2012 dafür 13 Arbeitsminuten, im internationalen Mittel aller 70 erhobenen Städte «kostete» der Big Mac 28 Arbeitsminuten. Wird die Binnenkaufkraft des Lohnes an einem für einen westlichen Haushalt typischen Warenkorb gemessen – statt an einem (nur bedingt vergleichbaren) Einzelprodukt wie dem Big Mac –, so zeigt sich, dass die Schweizer Löhne im internationalen Vergleich trotz der vielzitierten «Hochpreisinsel» im internationalen Vergleich sehr viel wert sind (vgl. Abb.).

Dazu trägt auch der historisch starke Franken bei – und das nicht erst seit seiner jüngsten Aufwertung: Seit Einführung des Euros hat sich der Franken gegenüber der Gemeinschaftswährung um fast 30% verteuert. Im Verlauf von 100 Jahren ist er gegenüber dem US-Dollar von 5.15 Fr./$ (1914) auf 0.92 Fr./$ (2014) erstarkt. Parallel zu dieser Entwicklung hat über den wachsenden Aussenhandel auch der Importanteil am Gesamtverbrauch der Schweizer Haushalte kontinuierlich zugenommen. Die Importprodukte sind günstiger geworden, auch wenn die Währungsgewinne oft erst mit Verzögerung an die Konsumenten weitergegeben werden. (Gemäss einer Studie der Schweizerischen Nationalbank (SNB) liegt die sogenannte «Exchange rate pass-through» in der Schweiz bei etwa 40% und damit im gleichen Rahmen wie im restlichen Europa oder in den USA.)

Konsumenten als Gewinner der Frankenstärke

Es darf dennoch gesagt werden: Die Konsumenten sind trotz Hochpreisinsel Gewinner der Frankenstärke – im langfristigen Vergleich, wie auch seit Jahresbeginn: Kaum ein Schweizer Geschäft, das die Preise nach der Aufhebung der Franken-Untergrenze nicht gesenkt hätte, neu einen Eurorabatt gewährt oder sonstige Zusatzleistungen anbietet. Die Preise für Bekleidung und Schuhe sind seit Januar um rund 3% bis 4% gesunken, seit Anfang 2011 um rund 15%. Auch Nahrungsmittel und Freizeitangebote sind günstiger geworden, wenn auch in geringerem Ausmass. Und wem das nicht genügt, der nimmt sich die Freiheit bzw. die Zeit, seine Einkäufe im nahen Ausland zu tätigen. Ferien im Ausland sind derzeit für Schweizer besonders günstig – und die Konkurrenz durch die günstigeren Mittelmeerdestinationen zwingt die hiesigen Anbieter dazu, ihren Preisnachteil durch bessere Leistungen und besondere Angebote zu kompensieren.

Am Cassis-de-Dijon-Prinzip festhalten

Natürlich ist nicht alles beim Besten: Lebensmittel sind in der Schweiz rund 30% bis 50% teurer als in Deutschland, bei Kosmetikartikeln und Zeitschriften kann der Preisunterschied bis zu 100% betragen. Die Preisunterschiede sind dort besonders gross, wo der Wettbewerb zu wenig spielt. Unnötig preistreibende Regulierungen und Handelshemmnisse, besonders in der Landwirtschaft, sollten deshalb zügig abgebaut werden. Die derzeitigen Bestrebungen im Parlament, das Cassis-de-Dijon-Prinzip wieder aufzuheben, wären deshalb ein Schritt in die falsche Richtung.

Ausserdem ist die Konsumfreude stark mit der Arbeitsplatzsicherheit korreliert. Diese wiederum gerät dann in Bedrängnis, wenn die «Hochlohninsel» nicht mehr durch eine höhere Produktivität der inländischen Wirtschaft gerechtfertigt ist. Konsumfreude allein gibt es deshalb nicht. Die Konsumenten sind als Arbeitnehmer, Arbeitgeber oder Rentenempfänger auch Produzenten und Investoren – und damit direkt am Exporterfolg der Schweizer Wirtschaft beteiligt. Letztlich wird alles, was die Preise künstlich verteuert, die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Wirtschaft belasten. Und umgekehrt schlagen sich Regulierungen, die die Löhne künstlich hochhalten, auch auf die Preise durch.

Heute ist der Prozess der Zulassung für ein Produkt aus der EU bürokratisch und aufwändig und hat nach wie vor einen stark protektionistischen Charakter. Die Regelung müsste genau umgekehrt lauten, nämlich, dass EU-Lebensmittel im Grundsatz ohne Bewilligung zugelassen wären. Sie könnten dann wieder aus dem Verkehr gezogen werden, wenn begründete Klage eingereicht würde. Mit einer derartigen Regelung käme der von den Detailhändlern beklagte Einkaufstourismus schnell zum Halt, und die Preise in der Schweiz würden deutlich sinken. Auch würden zusätzliche Arbeitsplätze in der Schweiz geschaffen: Das SECO schätzt deren Zahl auf 17‘000.