Als Folge der massiven und schockartigen Höherbewertung des Frankens sind Finanzinstitute mit internationaler Geschäftstätigkeit, wie andere exportorientierte Branchen auch, einem Druck auf die Gewinnmargen ausgesetzt. Während ein erheblicher Teil der Kosten in Schweizerfranken anfällt, schrumpfen die mit Anlagen in Fremdwährungen erwirtschafteten Erträge. Vom Negativzins sind nicht alle Banken in gleichem Ausmass betroffen. Banken, die im Verhältnis zu ihrem Bilanzvolumen überdurchschnittlich hohe Giroguthaben bei der SNB halten, werden stärker belastet als Institute mit geringeren Giroeinlagen. Der zugestandene Freibetrag basiert auf den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestreserven der Banken (2,5% der massgeblichen kurzfristigen Verbindlichkeiten) und entspricht dem Zwanzigfachen des Mindestreserveerfordernisses. Betroffen sind deshalb vor allem im Vermögensverwaltungsgeschäft engagierte Privatbanken und ausländisch beherrschte Institute, bei denen das Einlagen- und Kreditgeschäft keine nennenswerte Rolle spielt. Banken, die ein umfangreiches Depositengeschäft betreiben, müssen höhere Mindestreserven ausweisen und profitieren deshalb von einem höheren Freibetrag.

Negativzinsen beschleunigen den Strukturwandel

Schuldner wollen die günstigen Konditionen möglichst lange «anbinden». Die Verlängerung der Kreditlaufzeiten ist in vollem Gang. Weil die Banken mit kurzfristigen Einlagen arbeiten und Fristen transformieren, wird die Absicherung des Zinsänderungsrisikos teurer. Um Ertragseinbussen zu kompensieren, erhöhen Finanzinstitute die Aktivzinsen. Ferner versuchen sie, Negativzinsen an Firmenkunden und an institutionelle Investoren weiterzugeben und verrechnen Privatkunden höhere Gebühren. Schliesslich beschleunigen die betroffenen Banken die Bereinigung ihrer Geschäftsbereiche. Der Strukturwandel in der Bankbranche wird dadurch beschleunigt. Es wäre allerdings falsch, nur Ertragsminderungen und Nachteile zu sehen. Höhere Einnahmen aus Hedging-Aktivitäten der Kunden, grössere Handelsvolumina und, in mittelfristiger Perspektive, ein Imagegewinn für den Finanzplatz – die Frankenstärke als Zeichen der Stabilität – können sich positiv auf die Erträge auswirken.

Vermehrte Bargeldhortung

Die Auswirkungen des Negativzinses beschränken sich keineswegs auf direkt betroffene Banken. Erstens ist ein Trend zu Bargeldhaltung sichtbar. Banknoten dienen vermehrt der Wertanlage. So macht der Anteil der ausstehenden Tausendernoten am gesamten Notenbestand heute nahezu zwei Drittel aus, eine Entwicklung, die schon im Zusammenhang mit der Finanzkrise feststellbar war und sich nun verstärkt.  Soll Bargeldhortung erschwert werden? Die Frage stellt sich vor allem dann, wenn sich die SNB für weitere Senkungen des Negativzinses entscheiden würde. Doch eine Beschränkung oder gar ein Verbot der Bargeldnutzung wären ein Schlag gegen die Privatsphäre und widerspräche der Rolle des Bargelds als unbeschränkt gültiges Zahlungsmittel. Das Argument, ohne Bargeld liessen sich Negativzinsen besser durchsetzen, ist deshalb geradezu zynisch. Höhere Gebühren beim Bargeldbezug erhöhen zudem den administrativen Aufwand.kapitalmarkzinsen_negativzinsen

Zweitens ist das Zinsgefüge mit der Implementierung und Verschärfung der Negativzinsen entlang der ganzen Zinskurve ins Rutschen geraten (vgl. Grafik). Trotz des jüngsten Anstiegs der Kapitalmarktzinsen liegen die Renditen von Obligationen mit kürzeren und mittleren Laufzeiten immer noch in negativem Territorium. Deshalb akzentuiert die Negativverzinsung die durch das Tiefzinsumfeld  geschaffenen Probleme. Für institutionelle Investoren und nicht zuletzt die Pensionskassen wird es schwierig, ohne das Eingehen grosser Risiken mit den Verpflichtungen konforme Sollrenditen zu erzielen. Hinzu kommt, dass Negativzinsen zu einer Umverteilung von Gläubigern zu Schuldnern führen und das Risiko von Fehlinvestitionen und die Gefahr von spekulativen Übertreibungen auf den Finanz- und Immobilienmärkten erhöhen.

Alternativszenarien zu Negativzinsen

Negativzinsen und ultratiefe Kapitalmarktrenditen sind also keine ungefährlichen geldpolitischen Instrumente. Deshalb stellt sich die Frage nach Alternativen. Deren drei werden diskutiert.

  1. Die Wiedereinführung einer Franken-Untergrenze: Sie sollte aus einem Währungskorb bestehen, der zu gleichen Teilen Euros und Dollars enthält. Das wäre vor einigen Monaten eine Alternative zur Kursfreigabe gewesen. Allerdings wurde der damalige Trend eines erstarkenden Dollars inzwischen gebrochen. Es dürfte der SNB schwerfallen, die Wiedereinführung einer Untergrenze so kurz nach dem Aufhebungsentscheid glaubhaft zu kommunizieren. Zudem wären zur Verteidigung dieser neuen Mindestgrenze wieder umfangreiche Devisenmarktinterventionen zu tätigen. Es war gerade die Befürchtung der SNB vor einer unkontrollierbaren Ausdehnung der Bilanz, die zur Aufhebung der Untergrenze führte.
  2. «SNB QE»: Der Internationale Währungsfonds (IMF) empfahlt der SNB im vergangenen März den strukturierten, im Voraus angekündigten Kauf von auf Fremdwährungen lautenden Aktiven, also ein «SNB-QE» . Hier stellt sich die Frage nach dem Umfang eines solchen Programms. Mit grosser Wahrscheinlichkeit wäre es, wenn überhaupt, nur bei grossen Käufen wirksam; auch hier resultierte eine Aufblähung der SNB-Bilanz.
  3. Kapitalverkehrskontrollen: Solche waren in einigen aufstrebenden Volkswirtschaften mit international kaum gehandelten Währungen oft erfolgreich. Bei einer international gehandelten Währung wie dem Schweizer Franken kann nicht mit solchen Erfolgen gerechnet werden. Kapitalimportrestriktionen würden zu einer Verlagerung des Frankenmarktes auf ausländische Finanzplätze führen und den administrativen Aufwand erhöhen.

Keine Abkehr von der Tiefzinspolitik

Sollte das Argument, die Zinsen in Schweizerfranken müssten niedriger sein als in Euro, hinterfragt werden? Schliesslich gab es Perioden, in denen eine grosse Zinsdifferenz zugunsten des Euro mit einer markanten Frankenabschwächung einherging. Doch waren damals die Volatilitäten auf den Finanzmärkten sehr tief, die Risikoprämien stark rückläufig, der Glaube an eine erfolgreiche Währungsunion intakt und Carry Trades eine beliebte Anlagestrategie. Im heutigen Umfeld steigender Volatilität, einer krisengeschüttelten Währungsunion und der fast verzweifelten Suche nach positiven Renditen würden sich höhere Frankenzinsen umgehend in einemverstärktem Aufwertungsdruck niederschlagen.

Wir müssen deshalb damit rechnen, dass uns ultratiefe- und sogar Negativzinsen erhalten bleiben, solange die weltpolitischen Spannungen nicht nachlassen, die wirtschaftliche Unsicherheit gross ist und die Europäische Zentralbank (EZB) ihr QE-Programm durchzieht. Die SNB wird das Risiko einer starken Aufwertungswelle vermeiden. Damit steht sie im Einklang mit ihrem Mandat.