Gleich mehrere Volksinitiativen zielten in den letzten Jahren auf eine höhere Besteuerung des Kapitals. Aber in welchem Ausmass wird das Kapital in der Schweiz überhaupt belastet?

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In der aktuellen Diskussion rund um die Erbschaftssteuer geht oft vergessen, dass diese nur eine unter vielen Steuern ist, die das Vermögen belasten. Neben Abgaben, wie eben die Erbschaftssteuer, die beim Vermögenstransfer erhoben werden, finden sich auch Steuern auf dem Bestand (die Vermögenssteuer der natürlichen Personen), dem Ertrag (Unternehmensgewinnsteuer) sowie auf dem Vermögenszuwachs (Grundstückgewinnsteuer). Zählt man alle diese Kapitalsteuern zusammen, stellt man fest, dass Vermögen in der Schweiz steuerlich nicht geschont wird: Das Steueraufkommen sämtlicher Kapital- und Vermögenssteuern erreichte im Jahr 2012 nach einer neuen Schätzung von Avenir Suisse 48,9 Mrd. Franken. Es machte also gut 25 % der Gesamtsteuereinnahmen aus. Auch der Anteil der Kapitalsteuern am BIP ist im internationalen Vergleich beträchtlich: Mit 7,8 % liegt er nur knapp unter dem Mittelwert der EULänder (8,2 %), ist aber deutlich höher als in vergleichbaren Ländern wie Österreich (6,6 %), Deutschland (6,2 %) oder den Niederlanden (5,6 %).

Neue Schätzmethode

Wie hoch ist dann der Gesamtsteuersatz auf dem Kapital? Erstmals für die Schweiz stellt Avenir Suisse mit der hiermit angesprochenen Publikation eine Schätzung der effektiven, durchschnittlichen Steuerbelastung des Kapitals nach einer von Eurostat entwickelten Methode vor. Diese berechnet für jedes EU-Mitgliedsland die Belastung von Arbeit, Kapital und Konsum auf der Grundlage der jeweiligen volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung. Der Ansatz ermöglicht einen internationalen Vergleich der Steuerbelastungen, der über die statutarischen (offiziellen) Steuersätze hinausblickt. Er berücksichtigt neben unterschiedlichen Abschreibungsgepflogenheiten auch divergierende Möglichkeiten für Steuerabzug und Verlustvortrag sowie weitere Parameter der Vermögens und Unternehmensbesteuerung.

Die Berechnungen von Avenir Suisse zeigen, dass die im Jahr 2012 von den Schweizer Firmen entrichteten Steuern 13,5 % der ausgewiesenen Gewinne ausmachten. So betrachtet, gehört die Schweiz zu den steuergünstigen Standorten, auch wenn die Niederlande, Irland und die osteuropäischen Staaten die Unternehmensgewinne noch weniger belasten (s. Abbildung).

Kapital mehrfach belastet

Die Gesamtsteuerbelastung eines inländischen Investors oder Unternehmers setzt sich allerdings – wie eingangs erwähnt – aus mehr als nur aus Unternehmenssteuern zusammen. Kapitaleinkommen wird auch auf Personenebene belastet, und dies gleich mehrfach: mit der Einkommenssteuer, mit der Vermögenssteuer und ggf. mit der Erbschaftssteuer. Der Steuersatz auf dem Kapitaleinkommen der Haushalte ist mit 26,5 % entsprechend höher als bei den Unternehmensgewinnen. Der Gesamtsteuersatz des Kapitals – berechnet als Verhältnis aller Kapitalsteuern zu den Kapitalerträgen – liegt somit bei 20,6 %. Dieser Satz, der sowohl die Steuern auf Personen als auch auf Unternehmensebene umfasst, ist im internationalen Vergleich nicht sonderlich gering; der Durchschnitt der EULänder liegt bei 23,1 %. Von einer Bevorzugung der Schweizer «Kapitalisten» kann also auch nicht die Rede sein.

Eine Bundeserbschaftssteuer, wie sie die SP-Initiative «Millionen-Erbschaften besteuern für unsere AHV» verlangt, würde eine zusätzliche Belastung der inländischen Investoren und Sparer bewirken. Damit würden sämtliche kantonale Erbschaftssteuern durch eine Bundessteuer zu einem fixen Satz von 20 % auf Reinvermögen über 2 Mio. Franken ersetzt. Um die politische Akzeptanz der Bundeserbschaftssteuer zu erhöhen, werden zwar reduzierte Sätze für KMU und Familienbetriebe sowie eine Befreiung von Ehegatten in Aussicht gestellt. Auf der Grundlage einer Analyse von Avenir Suisse rechneten die Ökonomen Franz Jaeger und Tobias Trütsch von der Universität St. Gallen allerdings mit Mehrbelastungen von 4 bis 7 Mrd. Franken. Die Bundeserbschaftssteuer würde also eine Zunahme bei der Besteuerung der Kapitaleinkommen der Haushalte um mindestens 15 % bedeuten. Die Gesamtbelastung des Kapitals würde von 20,6 % auf 22,8 % und läge damit über dem deutschen Niveau von 22,2 %. Aus diesen Gründen hält es Avenir Suisse nicht für sinnvoll, die Erbschaftssteuer im heutigen System auszubauen und das produktive Betriebskapital zusätzlich zu besteuern. Das wäre auch nicht im Interesse der Lohnempfänger, denn ein höherer Kapitalstock stärkt die Arbeitsproduktivität – die wahre Quelle sämtlicher Lohnerhöhungen.

Dieser Artikel erschien in der «Zürcher Wirtschaft» vom 11.06.2015.