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Die Schweiz schneidet in Sachen Innovation gut ab. Im WEF-Global-Competitiveness-Index in neuer Ausgabe belegt sie hinter Finnland und vor Israel Platz 2. Bei den eingereichten Patenten liegt sie mit 315 pro 1 Mio. Einwohner und Jahr vor Japan und Schweden sogar auf Platz 1. Das kontrastiert mit der Placierung bei der Finanzierung von Startups. Hier liegt sie auf Platz 25, während Finnland, Israel und Schweden um Platz 10 herum liegen. Angeführt wird die Liste von Katar, Malaysia und den USA.

Falsche Schuldenfinanzierung

Die Vermutung, die Schweiz liege bei Forschung und Patenten vorne und bekunde bei der Umsetzung in wertschöpfungsstarke Produkte Mühe, weil das Risikokapital fehle, ist naheliegend. Aus ihr nährt sich die Idee eines Zukunftsfonds Schweiz, die dank einer Motion von Ständerat Konrad Graber sogar in der grossen Politik angekommen ist. Spiritus Rector ist Henri B. Meier, einst der Finanzchef von Hoffmann-La Roche.

Richtig daran ist, dass das stark regulierte Zwangssparen für die zweite Säule dem Kapitalmarkt Risikobereitschaft entzieht. Pensionskassen und Lebensversicherer verwalten ein Vermögen von 883 Mrd. Fr. (2013), das zu einem Grossteil zur Finanzierung von Schulden (wie Staatsobligationen) verwendet wird. Dass sich damit Wohlstand sichern lässt, dass man so die Renten der Zukunft finanzieren kann, ist zu bezweifeln. Daher schwebt den Proponenten des Zukunftsfonds vor, einen Teil des Vermögens (gemäss der Motion Graber 1%) in schweizerische Jungunternehmen an der Spitze des technischen Fortschritts zu investieren. Der Zukunftsfonds soll Investoren und Fachwissen zusammenführen.

Erwünschte Bündelung

Nur: Die Vorschriften des Bundes erlauben den Pensionskassen schon heute Investitionen in alternative Anlagen im Umfang von bis zu 15% des Gesamtvermögens. Die Grafik zeigt, dass die Vorsorgeeinrichtungen von dieser Möglichkeit zunehmend Gebrauch machen, die Obergrenze aber nicht einmal zur Hälfte ausschöpfen. Investitionen in Hedge-Funds wurden im Nachgang zur Finanzkrise zwischen 2007 und 2013 von 3,6% auf 2,2% reduziert, jene in übrige Anlagen (Rohstoffe, Infrastruktur und verbriefte Versicherungen wie Katastrophen-Anleihen) dagegen kontinuierlich auf 2,7% (2013) erhöht.

Jenes Wagniskapital, das der Zukunftsfonds anvisiert, wird in der Statistik unter Private Equity subsumiert. Auf Private-Equity-Investitionen entfielen 2004 erst 2,2 Mrd. Fr. (0,5% des Gesamtvermögens), und sie stiegen bis 2013 auf 8,7 Mrd. Fr. (1,2%). Auf Wagniskapital kommen jedoch gemäss Schätzungen des Komitees Zukunftsfonds nur 0,02%, was 140 Mio. Fr. entspricht (2013).

Warum machen Pensionskassen von der Möglichkeit, in Wagniskapital zu investieren, nur wenig Gebrauch? Ohne Zweifel wirft die Zersplitterung der Pensionskassenlandschaft (rund 2000 Kassen) Probleme auf. Kleine Kassen können sich kaum jenes hochspezialisierte Know-how leisten, das zentral ist, um zukunftsträchtige Ideen früh erkennen, Investitionen auf die Hightech-Sparten verteilen und Ideen schnell zur Marktreife bringen zu können. Zudem fehlt kleineren Kassen die finanzielle Potenz für den Auftritt auf diesem Markt. Pensionskassen investieren heute im Durchschnitt 4,4 Mio. Fr. in Private Equity; nur ein Bruchteil davon ist Wagniskapital. Die Nutzung von Verbund- und Skaleneffekten durch den Zusammenzug von Geldern in einem Fonds ist also sinnvoll.

Vergessenes Ausland

Die Pensionskassen könnten aber diese Probleme selbst lösen; sie könnten einen Fonds gründen und so das Grössen- und das Kompetenzproblem lösen. Dass sie es nicht tun, ist nicht zwingend Ausdruck mangelnder unternehmerischer Attitüde, auf die mit einer staatlichen Initiative geantwortet werden muss, sondern eher Ausdruck fehlender Investitionsmöglichkeiten. Darauf deutet anekdotische Evidenz hin: Es fehlt nicht an Kapital, sondern an Projekten. Und auch gewisse Rahmenbedingungen sind hinderlich. So wäre im Risikokapitalsegment die Möglichkeit vonnöten, Verluste 15 oder 20 Jahre vorzutragen statt nur 7 Jahre. Und bei den Pensionskassen wäre mehr Risikobereitschaft vorhanden, wenn Investitionen in Wagniskapital über längere Zeit zum Einstandswert verbucht werden könnten, da sie es oft erst nach zehn Jahren in die Gewinnzone schaffen, dann aber gelegentlich richtig.

In einem Punkt geht die Idee eines Zukunftsfonds zu wenig weit. Wenn es um die Sicherung der Renten geht, müssten Pensionskassen dort investieren, wo Wachstum und Fortschritt stattfinden. Das sind kaum die reifen Volkswirtschaften. Einen Zukunftsfonds auf den kleinen Schweizer Markt zu beschränken, ist daher wenig sinnvoll.

Sicherung der Renten durch das Eingehen von mehr Risiken im Rahmen eines Zukunftsfonds ist also eine gute Idee, sofern man drei Punkte beachtet. Ob Pensionskassen bei einem solchen Fonds mitmachen wollen, sollte erstens ihnen überlassen bleiben. Die Investitionen des Fonds sollten zweitens nicht nur in der Schweiz getätigt werden, sondern auch im Ausland. Und drittens sollte der Staat vor allem die gesetzlichen Rahmenbedingungen so setzen, dass sich das Nehmen von Risiken lohnt für Startup-Unternehmer, Pensionskassen und damit die Versicherten.

Dieser Artikel erschien in der «Neuen Zürcher Zeitung» vom 27. Juni 2015. 
Mit freundlicher Genehmigung der Neuen Zürcher Zeitung.