Die Schweiz kennt seit 2008 eine CO2-Abgabe auf fossilen Brennstoffen wie Heizöl, Erdgas oder Kohle. Sie beträgt 60 Fr. pro Tonne CO2. Das ergibt Einnahmen von 816 Mio. Fr. (2013). Zwei Drittel davon werden über die Krankenkasse und die AHV-Ausgleichskasse rückvergütet. Ein Drittel fliesst in ein Gebäudeprogramm zur Senkung des CO2-Ausstosses. Auch die Mineralölsteuer hat, obwohl nicht als Lenkungssteuer konzipiert, einen lenkenden Effekt. Sie wird auf unverbleitem Benzin, Dieselöl und Heizöl extraleicht erhoben.

Trotz Handicaps effektiv

Doch was ist überhaupt von solchen Steuern zu halten, die externe Effekte internalisieren sollen? Theoretisch ist es klar: Die nicht berücksichtigten externen Effekte stellen ein Marktversagen dar, das zu ineffizientem Überkonsum von Energie führt. Wenn mittels Steuern die relativen Preise so verändert werden, dass die Energiekonsumenten die vollen Kosten tragen müssen, macht das Technologien, die weniger energieintensiv sind und/oder kein CO2 ausstossen, attraktiver.

Doch die Praxis ist tückischer: Die OECD hat dieses Jahr zwei Studien über den Verbrauch und die Besteuerung von Energie publiziert, die gut jene Schwachstellen von Lenkungssteuern aufzeigen, die auch theoretisch bekannt sind. Auf diesen Studien basiert unsere wirtschaftspolitische Grafik. Sie zeigt auf der y-Achse die gesamtwirtschaftliche CO2-Steuer-Belastung (Stand: Anfang April 2012). Der Wert wird anhand des Anteils der einzelnen Energieträger am Gesamtenergieverbrauch aus allen nationalen CO2-Steuern auf Energieträgern errechnet.

Emissionssteuer und Energieeffizienz_2

Dabei werden auch Steuern berücksichtigt, die nicht mit Lenkungsabsicht eingeführt wurden (wie die Mineralölsteuer in der Schweiz). Die x-Achse sodann zeigt die CO2-Intensität des wirtschaftlichen Outputs. Sie wird durch die Energieeffizienz des Bruttoinlandprodukts (BIP) und durch den Energiemix bestimmt. Länder auf der linken Seite sind also entweder energieeffizient, oder ein grosser Teil ihres Gesamtenergiebedarfs wird durch CO2-freie Energieträger (erneuerbare Energien, Kernenergie) gedeckt. Letzteres wird durch die Grösse der Kreise ausgedrückt.

Die Schweiz weist mit 107 € pro ausgestossene Tonne CO2 die höchste Steuer unter allen OECD-Ländern (und weiteren in die Analyse einbezogenen Staaten) auf. Die EU-Staaten verlangen zwar auch relativ hohe CO2-Steuern, aber doch geringere als die Schweiz. Demgegenüber weisen Länder wie die USA (€ 4.83/t CO2) oder auch Indien (€ 3.12/t CO2) massiv niedrigere Belastungen auf. In Russland oder Brasilien tendiert die Belastung sogar gegen null.

Auch beim CO2-Ausstoss, gemessen am BIP, ist die Schweiz vorbildlich. Das ist nicht selbstverständlich, da der Schweizer Energieverbrauch nur zu gut einem Viertel auf erneuerbaren Energien und Kernenergie beruht, obwohl die elektrische Energie fast ausschliesslich aus Kern- und Wasserkraft gewonnen wird. Der Grund für diesen geringen Anteil CO2-freier Energien ist schlicht darin zu suchen, dass Strom nur einen Anteil von 27,6% am Energieverbrauch hat; Prozessenergie und Verkehr/Transport sind viel wichtiger. Der geringe CO2-Ausstoss ist auch deswegen nicht selbstverständlich, weil die Schweiz einen hohen Industrieanteil von über 25% aufweist und die Industrie einer der grossen CO2-Treiber ist. Aber er wurde möglich, weil die Schweiz und ihre Unternehmen eine äusserst hohe Energieeffizienz erreicht haben.

Wirksam oder Symbolpolitik?

Die Grafik zeigt neben der starken Stellung der Schweiz eine Korrelation zwischen der Höhe der CO2-Steuer und der CO2-Intensität. Diese Korrelation sagt nichts über Kausalitäten aus, aber gemäss ökonomischer Logik müsste der Anreiz, die Energie effizienter zu nutzen oder nicht besteuerte erneuerbare Energien einzusetzen, umso grösser sein, je höher die Steuer auf dem CO2-Ausstoss ist. Vor allem werden aus der Grafik aber die grossen Unterschiede in der Steuerlast deutlich. Der simple OECD-Durchschnitt entspricht € 52.0 pro Tonne CO2, das gewichtete OECD-Mittel beträgt gar nur € 27.1 pro Tonne CO2. Die Abweichungen von den Mittelwerten sind sehr gross und, da es sich bei der durch den CO2-Ausstoss ausgelösten Klimaerwärmung um ein globales Phänomen handelt, nicht sinnvoll. Sonst werden Länder mit tiefen Steuern wie Brasilien, Russland oder China zu Trittbrettfahrern, die von den Anstrengungen der anderen profitieren.

Umgekehrt handelt sich ein Land wie die Schweiz durch die hohen Steuern selbst im Vergleich zu anderen europäischen Ländern einen Standortnachteil ein. Die unterschiedlichen Belastungen können nämlich ein Anreiz sein, die Produktion in ein Land mit geringerer Belastung zu verlagern.

Das sollte man nicht aus den Augen verlieren, wenn man als kleines Land inmitten Europas ökologischer Vorreiter sein will. Dazu kommt die klassische Überlegung bezüglich der Grenzkosten: Jede weitere Reduktion von CO2 ist in der Schweiz mit unvergleichlich viel höheren Kosten verbunden als in fast allen anderen Ländern; der Nutzen der Reduktion ist dagegen überall der gleiche, denn es geht um ein weltweites Phänomen, die Klimaerwärmung. Sinnvoll wäre daher, die CO2-Reduktion dort vorzunehmen, wo sie am günstigsten ist.

Dieser Artikel erschien in der Neuen Zürcher Zeitung vom 29.8.2015. 
Mit freundlicher Genehmigung der Neuen Zürcher Zeitung