Simon P. Hoerstrup, Professor für experimentelle Chirurgie und Leiter des Schweizer Zentrums für regenerative Medizin, hat an einer Mittagsveranstaltung bei Avenir Suisse das Wyss Translational Center Zürich vorgestellt. Das Ende 2014 gegründete Zentrum der ETH und Universität Zürich versteht sich als Inkubator für innovative Ideen auf den Gebieten der regenerativen Medizin und der Robotertechnologien auf der entscheidenden letzten Etappe vor der ersten klinischen Anwendung bzw. dem Markteintritt.

Der Weg einer Stammzelle aus dem universitären Forschungslabor bis zu ihrem Einsatz als regenerative Therapie z.B. bei einem Herzinfarkt oder zur Herstellung einer «tissue engineerten»Herzklappe, ist lang – und teuer. «Zu oft landen vielversprechende Patente in der Schublade, weil für die ersten Tests am Patienten keine Finanzierung gefunden wird. Und das, obwohl in ihnen nicht selten mehrere Jahrzehnte Forschung stecken.» Als Mitgründer und Co-Direktor des noch jungen Wyss Translational Center Zürich (Wyss Zurich) will Simon P. Hoerstrup zusammen mit seinem Co-Direktor Roland Siegwart von der ETH dazu beitragen, dass die Umsetzung von Erkenntnissen aus der universitären Forschung in neue medizinische Therapien und Produkte weniger harzt. Grundsätzlich sei das Gesundheitssystem in der Schweiz mit der Pharmaindustrie, der Hochschulmedizin und der Medizinaltechnik zwar sehr gut aufgestellt. «Für Spin-offs aber sind die Risiken in dieser letzten Testphase häufig zu hoch, für die Industrie die Ertragsmöglichkeiten noch zu wenig konkret». Das Potenzial der Biomedizin ist gross, wo an neuen Therapieverfahren für häufige Krankheiten wie Demenz, Schlaganfall und Herzerkrankungen getüftelt wird. Aber im Gegensatz zum standardisierten Prozess für die Entwicklung eines neuen Medikamentes seien Aufwand und Risiko bei der Entwicklung einer neuen Therapie in der regenerativen Medizin noch schwerer abzuschätzen.

Keine Berührungsängste gegenüber der Industrie

Das Wyss Zürich, das im Dezember 2014 dank einer grosszügigen Spende des Unternehmers Hansjörg Wyss gegründet wurde, will diese Lücke überbrücken und dabei Medizin und Ingenieurwissenschaften enger verzahnen. «Die grösste Wertschöpfung in der Forschung geschieht interdisziplinär». Für den Standort Zürich sprach gemäss Prof. Hoerstrup die fast einmalige Nähe zweier Top-Bildungs- und Forschungsstätten, weiteren Spitälern und Technologiepartnern – und das gegenüber den USA relativ liberale regulatorische Umfeld. Neben der regenerativen Medizin zählt auch die Robotik zu den Schwerpunktthemen. Aus diesem Fachbereich stammt unter anderen das Projekt «Zürich Eye», welches von GPS unabhängige, optisch gestützte Navigationssysteme entwickelt.

Das Wyss Zürich unterstützt ausschliesslich die «letzte Meile» vor der klinischen Einführung bzw. Markteinführung. Langfristig sollte es sich auch für die beiden Mutteruniversitäten auszahlen, wenn sie ihren Zuständigkeitsbereich in diese Richtung erweitern, denn der Marktwert z.B. eines medizinischen Forschungsprojektes erhöhe sich nach erfolgreicher klinischen Erstanwendung («First-in-Man») um ein Vielfaches. Werde eine Erfindung zu früh an die Industrie (oder die Erfinder) verkauft, entgehe den Hochschulen – und damit indirekt dem Steuerzahler – viel Wertschöpfung. Hoerstrup stellte aber auch klar, dass das Wyss Zürich keine Berührungsängste gegenüber der Industrie kenne, im Gegenteil: «Wir sehen es gerne, wenn die Pharma als Partner einsteigt».

Netzwerke sind mindestens so wichtig wie Finanzen

Weniger positiv beurteilt Hoerstrup den Einfluss aktueller isolationistischer Tendenzen wie z.B. der Initiative gegen die Masseneinwanderung für die Forschungstätigkeit an Zürcher Hochschulen und speziell am Wyss Zürich. Die Kooperationsanfragen anderer Universitäten seien deutlich zurückgegangen und der Schweizer Forschungsplatz habe an Attraktivität verloren, weil er momentan nicht mehr gleichwertig in europäische Rahmenprogramme wie z.B. Horizon 2020 eingebunden ist. «Der wissenschaftliche Schaden ist dabei potentiell grösser als der finanzielle»: Bleibt es dabei, wäre die Schweiz nicht mehr Teil des Exzellenz-Netzwerks, das aus Europa einen den USA ebenbürtigen Forschungsplatz gemacht hat.

Der kurze Einblick in die medizinische Spitzenforschung zeigt: Innovationen entstehen dort, wo der Wettbewerb Top-Wissenschafter verschiedener Herkunft und Disziplinen zusammenführt. Top-Resultate lassen sich zwar nicht erzwingen – aber gute Rahmenbedingungen verkürzen den langen Weg vom Labor bis zum Patienten. Schliesslich illustriert das Wyss Zürich eindrücklich, was private Initiative bewirken kann. Während über den Schweizerischen Innovationspark seit 2006 diskutiert wird, sind mit der Unterstützung von Hansjörg Wyss in wenigen Jahren drei Spitzeninstitute in Harvard, Genf und Zürich geschaffen worden.