«Die Digitalisierung der Wirtschaft und Gesellschaft ist längst Realität», sagt Samuel Rutz im Gespräch mit dem Klein Report im Vorfeld des Infrastrukturtags, den das Eidgenössische Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) am 6. November an der ETH über die digitale Vernetzung ausrichtet. Rutz ist Projektleiter und Kadermitglied bei Avenir Suisse und wird an der Konferenz als Referent auftreten.

«Ob die Chancen oder Risiken der Digitalisierung überwiegen, hängt davon ab, wie wir mit ihnen – jetzt und in Zukunft – umgehen», so Rutz. Sicher sei bisher, dass die Digitalisierung einen «Strukturwandel» ausgelöst hat.

«Dieser Wandel wird nicht aufzuhalten sein. Umso wichtiger ist es, frühzeitig über die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen der Digitalisierung nachzudenken, deren Risiken zu erkennen und – allenfalls – Massnahmen zu ergreifen, die einen möglichst friktionslosen Strukturwandel ermöglichen», schätzt Rutz ganz generell die Digitalisierung ein.

Auf die Chancen der Digitalisierungsprozesse angesprochen, führt er vor allem Wohlstandsgewinne ins Feld: «Die grössten Chancen sehen wir in Produktivitätsgewinnen bei den Unternehmen, und zwar auf ganz unterschiedlichen Ebenen der Wertschöpfung: Bei der Entwicklung, in der Produktion aber auch in der Logistik oder dem Marketing.»

Natürlich seien solche Produktivitätsgewinne «nicht einfach Selbstzweck», weil sie zu besseren Produkten und Dienstleistungen führen, an der die «gesamte Gesellschaft» teilhabe. «Besonders die `Individualisierung` von Produkten und Dienstleistungen, sei dies in Form von massgeschneiderten Finanzprodukten oder personalisierten Medikamenten, verspricht gesellschaftliche Wohlfahrtssteigerungen.»

Gleichzeitig warnt Samuel Rutz vor digitalen Risiken: «In der digitalen Welt sind Daten der wichtigste Rohstoff. In diesem Zusammenhang stellen sich wichtige Fragen nach der Herrschaft über und dem Umgang mit Daten. Eine Gefahr für den Wettbewerb könnte darin bestehen, dass sich Datenmonopole herausbilden, die nur schwer angreifbar sind», so Rutz ohne konkrete Namen zu nennen.

Und auch im Datenschutz sieht der Avenir-Suisse-Mann eine mögliche Gefahr: «Anderseits gilt es sicherzustellen, dass durch Auswertung und Verknüpfung von Daten nicht die Privatsphäre der Menschen verletzt und ungebührlich eingeschränkt wird.»

Auf die Frage, ob eine digitale Welt, die sich ständig und in immer rascherem Tempo wandelt, überhaupt noch gesteuert werden könne, meint Rutz: «Nein, und vollständige Kontrolle ist letztlich auch nicht erstrebenswert. Vielmehr sollte es darum gehen, generelle Rahmenbedingungen zu schaffen, die sicherstellen, dass zentrale Anliegen wie Datenschutz und Datensicherheit für Menschen und in Unternehmen ausreichend berücksichtigt werden, ohne dabei die Innovation zu sehr zu behindern.»

Was das genau bedeutet, darüber streiten sich die Gemüter. «Wie Privaten und dem Staat sinnvolle Grenzen im Umgang mit unseren Daten gesetzt werden sollen, wird über kurz oder lang eine breite öffentliche Debatte bedingen.»

Und angesprochen auf das heisse Eisen der geplanten Allianz von Swisscom, SRG und Ringier meint Rutz diplomatisch: «Es ist nicht davon auszugehen, dass die Wettbewerbskommission einer Werbeallianz von Swisscom, SRG und Ringier, die Dritte klar diskriminiert, ihr Plazet erteilen würde.»

Am Strukturtag werden neben Samuel Rutz Jürg Leuthold, Professor am Departement für Informationstechnologie und Elektrotechnik an der ETH, sowie Philippe Metzger, Direktor des Bundesamtes für Kommunikation zum Thema referieren. Mit dabei sein wird auch Bundesrätin Doris Leuthard sowie Günther H. Oettinger, EU-Kommissar für digitale Wirtschaft und Gesellschaft.

Laut Tagesprogramm geht es im Kern um die Frage, «wie die Digitalisierung zu Gunsten des Standorts Schweiz und der Menschen in diesem Land so genutzt werden kann, dass eine für alle zugängliche, sichere und international kompetitive Netzstruktur und neue interdisziplinäre Kooperationen aufgebaut werden können».

Der zum viertel Mal stattfindende Infrastrukturtag organisiert das Uvek in Zusammenarbeit mit Matthias Finger vom Chair Management of Network Industries MIR, den Eidgenössischen Technischen Hochschulen in Zürich und Lausanne sowie der Universität St. Gallen.

Dieser Artikel erschien in «Klein Report» vom 26. Oktober 2015.