Nach dem Ja zur zweiten Gotthardröhre vom 28. Februar gilt es nun, die Rahmenbedingungen für den Bau und Betrieb zu konkretisieren. In diesem Zusammenhang sollte insbesondere die Möglichkeit diskutiert werden, die Sanierung der bestehenden und den Bau der zweiten Röhre durch eine Tunnelmaut zu finanzieren. Eine gesonderte Maut am Gotthard lässt sich durch die besonderen Eigenschaften dieser Infrastruktur begründen. Erstens liegt er auf der Haupttransitroute, und eine Gebühr könnte helfen, die externen Kosten der Transitfahrten abzugelten. Zweitens gibt es hier regelmässige Staus, die sich durch eine Maut reduzieren liessen. Drittens handelt es sich um den mit Abstand längsten Strassentunnel des Landes (17 km). Viertens stehen am Gotthard enorme Investitionen von rund 2,8 Milliarden Franken an.

Eine Gebühr ist das sinnvollste Finanzierungsinstrument für dieses Grossprojekt. Statt die Kosten zu kollektivieren, würden die Nutzer die zweite Röhre finanzieren, also genau jene, die auch davon profitieren. Zugleich wäre die Mauterhebung mit geringem Aufwand verbunden: Während die Einführung einer landesweiten Strassenmaut einen Systemwechsel bedingt, reicht für eine Tunnelmaut je eine Erfassungsstation an beiden Enden.

Im Nachbarland Österreich gibt es seit Jahrzehnten Sondermautstrecken auf sechs alpenquerenden Autobahnabschnitten. Dazu zählt neben fünf langen Tunneln auch der Brennerpass, der neben dem Gotthard zu den wichtigsten Nord-Süd-Verbindungen durch die Alpen gehört. Aber auch in der Schweiz gibt es bereits seit 1968 einen mautpflichtigen Strassentunnel, am Grossen St. Bernhard: Eine einfache Fahrt durch den privat finanzierten Tunnel kostet 29 Franken 30. Niemand stellt diese Praxis infrage.

Portal des Gotthard-Strassentunnels

Von Anfang an auf eine zweite Röhre ausgelegt: Die ausgebreiteten Flügel an den Portalen des Gotthard-Strassentunnels vom Tessiner Architekten Rino Tami. (Wikimedia Commons)

Politisch könnte eine Tunnelmaut die Gegner der zweiten Röhre nachträglich noch mit dem Projekt versöhnen. Ihre Hauptsorge ist nämlich, dass die Kapazitätserweiterung zu einer Zunahme des Transitverkehrs führt. Da eine Maut drosselnd auf die Verkehrsnachfrage einwirkt, könnte die Politik damit ihrer Versicherung Glaubwürdigkeit verleihen, dass der Bau einer zweiten Röhre nicht zu mehr Verkehr führe. In einer Economiesuisse-Studie wurde ein Mautkonzept berechnet, wonach eine private Gesellschaft den Tunnel bauen, betreiben und nach 50 Jahren kostenlos an den Staat zurückgeben würde. Demzufolge rechnet sich die Finanzierung, wenn pro Fahrt durchschnittlich eine Maut von 21 Franken pro Pkw und von 82 Franken pro Lkw erhoben würde. Für Vielfahrer oder Anwohner gäbe es vergünstigte Tarife. Für Lkw müsste die Tunnelmaut mit der LSVA verrechnet werden, da das Landverkehrsabkommen mit der EU die maximale Gebühr für eine Transitfahrt festlegt. Da sich der Fiskus günstiger refinanzieren kann als ein privater Betreiber, wäre bei staatlichem Betrieb sogar eine geringere Maut ausreichend. Bei 6,3 Millionen Fahrzeugen pro Jahr (davon 5,3 Millionen Pkw), die den Tunnel passieren, wäre bei einer durchschnittlichen Maut von 20 Franken mit jährlichen Einnahmen von 120 Millionen Franken zu rechnen.

Die Tarifgestaltung sollte aber nicht primär am Finanzbedarf ausgerichtet werden, sondern auch im Hinblick auf die Steuerungswirkung. Zum einen bedeutet dies zeitlich differenzierte Gebühren, die Kapazitätsengpässe berücksichtigen. So sollte die Maut an Tagen mit regelmässigen Staus (z. B. am Osterwochenende) deutlich höher liegen als zu Zeiten mit geringer Nachfrage. Dadurch liessen sich die Verkehrsspitzen glätten und die externen Kosten von Staus für Autofahrer und Anwohner reduzieren.

Zum anderen sollten die Tarife so gewählt werden, dass es nicht zu Ausweichverkehr über andere Routen kommt. Allerdings ist die Sorge um den Ausweichverkehr eher ein Argument für eine Maut am Gotthard. Andere wichtige Nord-Süd-Achsen durch die Alpen sind nämlich schon seit langem mautpflichtig (Brennerpass, Grosser-St.-Bernhard-Tunnel, Montblanc-Tunnel). Durch den Bau einer zweiten Röhre mit verbessertem Verkehrsfluss würde man ohne Maut Ausweichverkehr von diesen Alternativrouten anziehen.

Es gibt auch staatspolitische Bedenken, dass eine Maut am Gotthard das Tessin durch eine kostenpflichtige Strasse vom Rest der Schweiz «trennen» würde. Aber auch der Autoverlad an Albula-, Furka-, Lötschberg-, Oberalp- und Vereinatunnel ist kostenpflichtig. Regionen wie das Goms oder das Unterengadin sind für ihre Verbindung mit der Aussenwelt auf diese Tunnel angewiesen. Zudem liesse sich die Belastung für Tessiner Autofahrer durch grosszügige Vielfahrerrabatte (z. B. 10er-Billet oder Jahresabonnement) senken oder durch eine Reduktion der kantonalen Motorfahrzeugsteuer. Die Argumente für die Einführung einer Maut am Gotthard überwiegen. Die zweite Röhre sollte von den Nutzern finanziert werden, nicht von der Allgemeinheit.

Dieser Artikel ist in der Ausgabe vom 15. März in der «Neuen Zürcher Zeitung» erschienen.