Alle reden von der überbordenden Regulierung. In den vergangenen zehn Jahren zählte man im Schweizer Parlament mehr als 100 verschiedene Vorstösse, die auf Deregulierung und Bürokratieabbau zielten. Gefruchtet haben sie nicht, im Gegenteil: Die Regulierungsdichte ist sogar weiter gestiegen. Wenn vereinzelt Vorschriften abgeschafft wurden, sind an anderer Stelle, gleich dem Kopf der Hydra, neue nachgewachsen. Je nach Schätzung betragen heute die Bürokratiekosten der Unternehmen bis zu 10% des BIP, die Kosten in Form verpassten Wachstums dürften wesentlich höher sein. Es gibt viele Ursachen für das wachsende Regulierungsdickicht: internationale Regulierungen, die oft unreflektiert übernommen werden, Aktivismus der Verwaltung, das Lobbying der Unternehmen sowie generell wachsende Ansprüche an den Staat. Einzeln besehen scheinen die Massnahmen oft vernünftig, aber in der Kombination mit vielen anderen entfalten sie eine lähmende Wirkung – man spricht auch vom «Gulliver-Syndrom».

Dass es sehr wohl möglich wäre, Regulierungen konsequent abzubauen, zeigt das neue «avenir   debatte» von Peter Buomberger und Tobias Schlegel. Die Niederlande, Grossbritannien und Deutschland sind auf diesem Gebiet fortschrittlicher als die Schweiz: Sie kennen klar definierte Ziele, standardisierte Kostenberechnungen und unabhängige Prüfstellen. Folgende Massnahmen sollten für die Schweiz geprüft werden:

  • «One-in, one-out»-Regeln, die Regulierungen branchenspezifisch betrachten. Für jedes neue Gesetz muss im Gegenzug ein altes abgeschafft werden. Grossbritannien und Kanada konnten mit diesem Rezept erste Erfolge verbuchen. Um Verteilkämpfe auszuschliessen, sollte es jeweils nur innerhalb eines spezifischen Regulierungsfeldes angewandt werden.
  • Ein Verfallsdatum für neue Gesetze. Eingeführt wurde diese Massnahme zum ersten Mal in den USA unter dem Namen «Sunset-Klausel», die verlangt, dass Gesetze vor dem Verfallsdatum evaluiert werden müssen.
  • Opting-out bei internationalen Regulierungen. Als Folge der Globalisierung hat der internationale Koordinationsbedarf zugenommen. Es macht jedoch wenig Sinn, Start-ups oder auf den Heimmarkt fokussierte KMU mit zusätzlichen Spielregeln zu belasten. Ihnen sollte, wo immer möglich, die Möglichkeit des Opting-outs angeboten werden.
  • Zero-based-Regulierung für neue Technologien. Vor allem bei disruptiven Innovationen besteht die Gefahr, dass sie durch veraltete Regulierung gebremst bzw. neue Unternehmen beim Marktzugang behindert werden. Ähnlich wie beim «Zero-based-Budgeting» könnte man eine «Zero-based-Regulierung» verlangen, bei der sämtliche in einem Sektor bestehende Regulierungen durch ein neues Rahmenwerk ersetzt werden.
  • Bessere Governance-Strukturen im Regulierungsprozess. Es ist wichtig, den Regulierungsprozess von Anfang an in die richtige Bahn zu lenken, da die Gestaltungsmöglichkeiten ab Stufe Parlament nur noch klein sind. Möglich wäre dies mit einem frühzeitigen Quality Check und einer vertieften Regulierungsfolgenabschätzung, die beide durch eine unabhängige Prüfstelle abzunehmen wären.
  • Eine gesamtwirtschaftliche Regulierungsbremse, die eine Obergrenze definiert. Wie bereits erwähnt, ist auch die absolute Zahl der Regulierungen ein Problem, weil sie deren Wechselwirkungen verstärkt. Sinnvoll wäre ein einmaliges Abbauziel (z.B. 25%) und danach die Einführung einer gesetzlich verankerten Regulierungsbremse, die die Regulierungskosten auf einem bestimmten Niveau einfrieren würde.

Gerade in einer Zeit, in der die Unternehmen unter der Last des harten Frankens ächzen und die globalen Wachstumsperspektiven wenig rosig sind, könnte ein radikaler Regulierungsabbau ein wichtiges und vertrauensförderndes Signal für die Binnenwirtschaft sein. Entscheidend ist letztlich aber der politische Wille. Auch das haben die Erfahrungen aus dem Ausland gezeigt.