Wir werden nicht nur älter, sondern wir arbeiten auch immer länger. So lassen sich die Ergebnisse der in dieser Woche publizierten Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (SAKE) zusammenfassen. Von 2010 bis 2015 ist die Erwerbsquote der 55- bis 64-Jährigen von 70,5% auf 75,8% gestiegen, und auch in der Gruppe «65Plus» gab es einen Aufschwung von 9,3% auf 11,8%. Die Schweiz geniesst somit im OECD-Vergleich einer der höchsten Erwerbsquote unter älteren Mitarbeiter.

Marke 65 geknackt

Die Gründe für diese Entwicklung sind zahlreich: eine allgemein bessere Gesundheit, eine in den letzten Jahren stark verbesserte Gesundheitsprävention am Arbeitsplatz und die zunehmende Bedeutung des Dienstleistungssektors, wo Erfahrung eine grössere, die körperliche Anstrengung eine geringere Rolle spielt.

Zudem werden ältere Mitarbeiter seltener arbeitslos. Dies, belegt nicht nur die Statistik der RAV-Büros, sondern auch diejenige der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), die ausgesteuerten Personen mitberücksichtigt. Im Jahr 2015 betrug die Erwerbslosenquote von 55- bis 64-Jahrigen 3,9% und lag somit weit unter dem durchschnittlichen Wert von 4,5% (für 15- bis 74-Jährigen).

Wie arbeiten immer länger: Alter beim Austritt aus dem Erwerbsleben Männer und Frauen

Aus der SAKE-Statistik lassen sich zwei Schlüsse ziehen:

  • Ältere Mitarbeiter werden in der Schweiz nicht systematisch aus den Betrieben gedrängt, und die Arbeitgeber nehmen ihre soziale Verantwortung grundsätzlich wahr.
  • Die Mehrheit arbeitet über das gesetzliche Rentenalter 65 hinaus: Das durchschnittliche Austrittsalter lag 2015 bei 65,5 – ein ganzes Jahr höher als noch 15 Jahre zuvor (2001-02: 64,5 Jahre). Männer hören im Schnitt mit 66,0 Jahren auf, Frauen mit 64,8 Jahren.

Nicht alle finden sich auf der Sonnenseite

Trotzdem wäre es verfehlt, wenn man sich auf diesen erfreulichen Entwicklungen ausruhen würde. Dem grundsätzlich positiven Bild für die älteren Arbeitnehmer steht nämlich ein düsteres für ältere Stellensuchende gegenüber.

  • Die Arbeitslosenquote der 55- bis 64-Jährigen (nach ILO-Definition) ist in den letzten Jahren von 3,5% (2010) auf 3,9% (2015) gestiegen.
  • Wer in fortgeschrittenem Alter seine Stelle verliert, hat auch mehr Mühe, eine neue zu finden. Im Dezember 2015 lag laut SECO der Anteil der Langzeitarbeitslosen (länger als 1 Jahr) über 50 Jahren bei 25%, deutlich über dem Durchschnitt von 14% für alle Altersgruppen.

Im politischen Diskurs wird oft die Situation der älteren Mitarbeiter ohne Job dargestellt, um damit Schutzmassnahmen für diejenigen in einem Arbeitsverhältnis zu begründen. Dies ist der verkehrte Ansatz. Es sollten stattdessen Massnahmen geprüft werden, die den Stellensuchenden helfen.

Sozialpläne, die grosszügige Entschädigungen bei Zwangspensionierung vorsehen oder sogar ein Kündigungsverbot ab Alter 55, wie manche Interessengruppen zur Zeit fordern, würden zwar denjenigen helfen, die bereits eine Stelle haben. Sie würden jedoch den Arbeitsmarkt der Senioren verkrusten und damit die Anstellung älterer Arbeitsloser erschweren. Man stelle sich einen Filialleiter im Detailhandel oder einen Coiffeur vor, der zwei Stellenbewerber mit gleicher Berufserfahrung und gleicher Lohnforderungen vor sich hat. Nur einer ist 44, der andere 54 Jahre alt. Mit einem Kündigungsverbot ab Alter 55 würde die Anstellung des älteren Kandidaten eine Bindung über 11 Jahre bedeuten, unabhängig davon wie sich die Wirtschaft und das Unternehmen entwickeln, und ob die Chemie mit dem neuen Mitarbeiter stimmt. Es ist offensichtlich, dass sich der Arbeitgeber für die Option mit mehr Flexibilität entscheiden wird. Was als Massnahme zu Gunsten der Älteren angedacht ist, entpuppt sich als Einladung zur Altersdiskriminierung.

Zu vermeiden sind ausserdem alle Regelungen, die die Lohnkosten älterer Mitarbeiter verteuern, weil sie ihre Verdrängung aus dem Arbeitsmarkt fördern. 26% der Firmen praktizieren mit dem Alter steigende Löhne. Das ist nicht mehr zeitgemäss, weil solche Lohnschemata die Attraktivität älterer Arbeitnehmer für ihre Arbeitgeber verschlechtern.

Es gibt gute Grunde und Alternativen, um Berufserfahrung und Firmenloyalität zu honorieren. Grundsätzlich sind etwa Regelungen auf Basis von Dienstjahren statt Jahrgängen vorzuziehen. Jubiläumsgeschenke honorieren die Leistung langjähriger Mitarbeiter und senken die Personalfluktuation. Und sie stellen Rekrutierungskandidaten mit gleicher Erfahrung, egal welchen Alters, auf den gleichen Stand, weil sie alle mit Null Dienstjahren beginnen.

Mehr zu diesem Thema erfahren Sie in der Publikation «Altersarbeit in den Kinderschuhen: Senioren als Trumpf gegen den Fachkräftemangel».