Der Bundesrat hat im Herbst 2015 entschieden, den heute geltenden Maximalzinssatz für Konsumkredite von 15% per 1. Juli 2016 anzupassen: Zukünftig sollen die Kreditinstitute für Konsumkredite nur noch einen Zuschlag von maximal 10% über dem Referenzzinssatz (3-Monats-Libor) verlangen dürfen. Begründet wird dieser Entscheid einerseits mit dem Ziel der Schuldenprävention. Anderseits will der Bundesrat die Kreditnehmer durch die Verbilligung von Konsumkrediten am aktuellen Tiefzinsumfeld teilhaben lassen.

Weniger Überschuldung?

Es lässt sich darüber streiten, ob es eine staatliche Schuldenprävention braucht, steckt dahinter doch das Weltbild des unmündigen Konsumenten, der vor sich selbst geschützt werden muss. Die Zahlen des Bundesamtes für Statistik (BFS) zeigen zumindest, dass auch in der Schweiz nicht bezahlte Rechungen ein weitverbreitetes Phänomen darstellen: 2013 lebten 17,7% der Bevölkerung in einem verschuldeten Haushalt, wobei sich unbeglichene Steuerrechungen als die mit Abstand wichtigste Verschuldungsquelle erweisen. Es zeigt sich aber auch, dass aufgenommene Konsumkredite in vielen Haushalten früher oder später zu einem ernsthaften Problem werden – jeder achte verschuldete Haushalt ist mit den Monatsraten eines Konsumkredits oder Leasingvertrages im Verzug.

Aber weshalb nehmen Konsumenten Kredite auf, die sie im Nachhinein nicht bedienen können? Die ökonomische Forschung bietet hierzu zwei Erklärungen: Einerseits verfügen viele Konsumenten nicht über das notwendige Wissen, um wohlüberlegte Finanzentscheidungen zu treffen, und anderseits sind sie oft Opfer ihrer eigenen zeitinkonsistenten Entscheidungen. D.h., sie verschulden sich heute, um zu konsumieren, und blenden dabei die langfristigen Konsequenzen aus. Internationale Studien zeigen denn auch, dass Verschuldung und Zahlungsunfähigkeit regelmässig mit fehlendem Finanzwissen und impulsivem Kaufverhalten einhergehen.

Wenn fehlendes Finanzwissen und impulsives Kaufverhalten zu Überschuldung führen, so sollte ein staatlicher Schutz vor Verschuldung direkt bei diesen zwei Ursachen ansetzen. Tatsächlich sieht das schweizerische Konsumkreditgesetz – wie auch in anderen Ländern – vor, dass die Kreditnehmer klare Informationen über das Kreditprodukt erhalten. Gleichzeitig haben Kreditnehmer die Möglichkeit, innerhalb einer Bedenkzeit von unterschriebenen Verträgen kostenlos zurückzutreten. Weshalb sollte also im Namen der Schuldenprävention zusätzlich der Höchstzinssatz für Konsumkredite beschränkt werden? Die vordergründige Logik besteht darin, das Angebot an Kreditnehmer mit schlechter Bonität einzuschränken. Diejenigen Kreditnehmer, die weiterhin bedient werden, profitieren hingegen von tieferen Zinsen, womit sich Ausfallsrisiko und Verschuldungsgefahr verringert.

So schlüssig diese Argumentation auf den ersten Blick sein mag, bei näherer Betrachtung ist sie kaum haltbar. Erstens ist es naiv anzunehmen, dass Haushalte mit schlechter Bonität einfach auf Kredite verzichten würden. Internationale Studien zeigen, dass gerade Haushalte, die besonders anfällig für Überschuldungen sind, oftmals teure, informelle Kreditquellen in Anspruch nehmen. Es besteht also die Gefahr, dass die Senkung des Maximalzinssatzes genau das Gegenteil dessen bewirkt, was eigentlich angestrebt wird: Die Überschuldungsgefahr der gefährdetsten Haushalte nimmt zu. Zweitens führt die Reduzierung des Maximalzinssatzes kaum zu einer wesentlichen Änderung der monatlichen Tilgungsraten eines gewöhnlichen Konsumkredites. Der Grund hierfür ist, dass die Tilgungsraten hauptsächlich vom Kreditvolumen und der Laufzeit bestimmt werden. Bei einem Konsumkredit von beispielsweise 10’000 Fr. über 2 Jahre beträgt die monatliche Tilgungsrate bei einem Zinssatz von 10% 461 Fr. Im Vergleich hierzu beläuft sich die Tilgungsrate für den gleichen Konsumkredit bei einem Zinssatz von 15% auf 485 Fr. pro Monat. Es ist kaum anzunehmen, dass viele Haushalte aufgrund einer solch minimen Verringerung der Tilgungsrate vor Zahlungsschwierigkeiten bewahrt werden.

Günstigere Kredite?

Der zweite vom Bundesrat angeführte Grund für die beschlossene Senkung des Maximalzinssatzes sind die im heutigen Tiefzinsumfeld gesunkenen Refinanzierungskosten der Kreditinstitute, von denen auch die Kreditnehmer profitieren sollen. Tatsächlich gibt es Hinweise, dass die Anbieter von Konsumkrediten die gegenwärtig tiefen Refinanzierungskosten kaum an ihre Kunden weitergeben. So scheint das Konsumkreditgeschäft in der Schweiz im Vergleich zum traditionellen Spar- und Hypothekargeschäft sehr rentabel zu sein. Cembra Money Bank, ein führender Anbieter von Privatkrediten, Leasing und Kreditkarten, weist zum Beispiel für das Jahr 2014 einen Gewinn in der Höhe von 2,9 Prozent der Bilanzsumme aus. Die Kantonal-, Regional- und Raiffeisenbanken liegen hier bei durchschnittlich 0,4 Prozent. 

Dennoch ist es fraglich, ob der Staat de facto eine Umverteilungspolitik zugunsten der Nachfrager von Konsumkrediten betreiben sollte. Die blosse Feststellung, dass das Konsumkreditgeschäft von einigen Anbietern sehr rentabel betrieben werden kann, rechtfertigt aus ordnungspolitischer Sicht auf jeden Fall mitnichten einen Markteingriff. Wären hohe Margen für sich alleine genommen ein Grund für staatliche Markteingriffe, müsste in unzähligen anderen Märkten auch interveniert werden. Ein legitimes Motiv für eine Intervention könnte hingegen das Fehlen wirksamen Wettbewerbs darstellen, zum Beispiel aufgrund von Wettbewerbsbeschränkungen in Form von Abreden oder missbräuchlichen Verhaltensweisen dominanter Kreditanbieter. Anzeichen für solche schädlichen Wettbewerbsbeschränkungen bestehen jedoch im Konsumkreditmarkt keine. Dies stellte die Wettbewerbskommission bereits 2007 fest, und es kann als unwahrscheinlich bezeichnet werden, dass sich die Wettbewerbsverhältnisse in der Zwischenzeit grundlegend zum Schlechteren gewendet haben.

Zinsregulierung_Schuldenprävention_670px

Tatsächlich scheint es eher so zu sein, dass sich der Wettbewerb im Konsumkreditmarkt in den letzten Jahren dynamisiert hat. Ein Blick auf die Konditionen der einzelnen Anbieter von Konsumkrediten zeigt auf jeden Fall, dass deutliche Unterschiede im Markt bestehen (vgl. Grafik). Auffallend ist, dass die Marktführer Bank-now, Cembra Money Bank und Cashgate erheblich höhere Zinsen verlangen als kleinere Anbieter. Diese Segmentierung des Marktes dürfte damit zu erklären sein, dass die kleineren Anbieter (z.B. die Migrosbank) Konsumkredite in erster Linie zur Vervollständigung ihres Produkteportfolios führen und sich bei der Kreditvergabe tendenziell auf vergleichsweise gute Risiken aus ihrem eigenen Kundenstamm konzentrieren. Interessanterweise scheint sich die herkömmliche Segmentierung in den letzten Jahren etwas aufgeweicht zu haben: Internetbasierte Kreditinstitute wie eny Credit oder bob money sind in den Markt eingetreten und haben sich mit Zinssätzen im Segment zwischen den traditionellen Kreditanbietern positioniert. Der Wettbewerb um die besseren Risiken im Mittelfeld ist demnach auch ohne eine Senkung des Mindestzinssatzes im Begriff, sich zu verschärfen. 

Geringe Preissensitivität?

Die hohen Zinsmargen der führenden Anbieter von Konsumkrediten lassen sich also nicht einfach mit fehlendem Wettbewerb erklären. Vieles deutet darauf hin, dass der Konsumkreditmarkt durch eine relativ geringe Preissensitivität gekennzeichnet ist. Mit anderen Worten: Die Zinskosten sind nur einer von vielen Wettbewerbsfaktoren, die darüber entscheiden, ob ein Konsumkredit in Anspruch genommen wird oder nicht. Genauso wichtig dürften bei dieser Entscheidung die Laufzeit und Höhe des angebotenen Kredites sein, da diese im Wesentlichen die monatliche Tilgungsrate bestimmen. Zudem sind Faktoren wie Service, Kundenvertrauen oder Diskretion wohl ebenfalls bedeutend. Für einen angebotsseitigen Markteingriff – wie dies eine Zinsregulierung darstellt – kann eine geringe Preissensitivität aber kein Motiv liefern. Mit dem gleichen Argument müssten sonst auch Krankenkassenprämien oder die Preise der Mobilfunkabonnemente reguliert werden – zwei Bereiche, die erheblich zur Verschuldung der Schweizer Haushalte beitragen und ebenfalls durch eine geringe Preissensitivität charakterisiert sind.

Eine Senkung des Maximalzinssatzes für Konsumkredite zielt also nicht nur an den identifizierten Überschuldungsursachen vorbei, sondern trägt letztlich nichts zu einer Erhöhung der Preissensitivität der Kreditnehmer bei. Auch in diesem Fall sind nachfrageseitig wirkende Massnahmen gefragt. Mit der oben erwähnten Pflicht, die Kreditnehmer klar über die Produkte zu informieren und deren Kreditfähigkeit abzuklären sowie der Möglichkeit, innerhalb einer gewissen Bedenkzeit von einem unterschriebenen Vertrag zurückzutreten, sind bereits heute solche Massnahmen im Konsumkreditgesetz verankert. Preisregulierungen hingegen sind eine ultima ratio der Wettbewerbspolitik und sollten nicht als Deckmantel für Schuldenprävention missbraucht werden.

Dieser Artikel ist auf am 31. Mai 2015 auf NZZ Online sowie der Ökonomenstimme erschienen.