In der Geldpolitik hat mit dem Ausbruch der internationalen Finanzkrise ein grundlegender Sinneswandel stattgefunden. Noch vor wenigen Jahren wären Leitzinsen der Notenbanken unter null unvorstellbar gewesen. Das Sparen zu bestrafen und den Konsum zu belohnen, widerspricht marktwirtschaftlichen Prinzipien. Trotzdem haben sich viele Notenbanken, unter ihnen auch die Schweizerische Nationalbank (SNB), im Rahmen der «ultraexpansiven Geldpolitik» dafür entschieden. In einer regen internationalen Diskussion werden Negativzinsen als Bestandteil einer neuen Welle der «Finanziellen Repression» angepriesen, in der staatliche Institutionen in regulierten Märkten Geldmittel umlenken sollen, um ihre Schulden auf Kosten der Gläubiger zu reduzieren bzw. die Inflation anzukurbeln. Dieser Effekt ist bis dato in der Schweiz ausgeblieben. Negative Realzinsen, d.h. der Nominalzins liegt unterhalb der Inflationsrate, hat es allerdings in unserem  Land schon in früheren Phasen gegeben. Sie ergeben sich dann, wenn sich die Wirtschaftsakteure in ihren Erwartungen hinsichtlich Zinsen und Inflation getäuscht haben. Mit diesen Fragen, vor allem mit den Handlungsoptionen, die die Wirtschaftspolitik in der Niedrigzinswelt hat, befasst sich das neuste «avenir debatte» von Alois Bischofberger und Rudolf Walser.

Die gute Nachricht zuerst: Die Schweiz hat die Finanzkrise verhältnismässig unbeschadet überstanden, auch die negativen Folgen der ultraexpansiven Geldpolitik halten sich in Grenzen. Von einer Enteignung der Sparer kann noch nicht die Rede sein. Die Staatsverschuldung ist mit 35,4% des Bruttoinlandprodukts (BIP) relativ niedrig und das Reinvermögen der Privathaushalte wuchs – dank der positiven Entwicklung der Aktien- und Immobilienmärkte – seit 2008 von 2450 Mrd. auf stattliche 3335 Mrd. Fr. Auch die Mieter konnten profitieren, weil mit den historisch tiefen Hypothekarzinsen der Aufwärtstrend bei den Bestandesmieten gebrochen wurde. Ebenso hat das billige Geld nicht den befürchteten Konsumboom verursacht, der Grundlage weiterer Ungleichgewichte wäre.

Dringender Handlungsbedarf an vielen Fronten

Dennoch gibt es Anlass für einen sorgenvollen Blick in die geldpolitische Zukunft: Das Ende der Niedrigzinsphase ist nicht abzusehen und aufgrund der verzerrten Anreize wachsen die volkswirtschaftlichen Risiken. Der Handlungsspielraum der SNB bleibt eingeschränkt, sie ist de facto eine Gefangene der EZB-Politik. Umso wichtiger ist es in dieser Situation, dass alle verbleibenden Handlungsspielräume genützt werden, um die Risiken in Grenzen zu halten:

  1. Bei den Pensionskassen ist die Umverteilung zulasten der aktiven Versicherten bereits Realität und wird durch die Politik extrem tiefer Zinsen verstärkt. Im Sinne der Generationengerechtigkeit ist die Entpolitisierung des BVG-Umwandlungssatzes und des Mindestzinssatzes im obligatorischen Teil Auch die nominale Garantie von Altersrenten wird in einem Umfeld negativer Inflation zum Problem. Eine angemessene Verteilung der Risiken zwischen Aktiven und Rentnern ist zentral, denn es geht um die Substanz: In den Vorsorgewerken sind nicht weniger als 41,3% der Schweizer Haushaltsersparnisse angelegt.
  2. Die günstigen Finanzierungskonditionen dürfen einem Ausbau der Staatschuld (z.B. über einen Staatsfonds) nicht die Tür öffnen. Auch das wäre eine ungerechtfertigte Belastung künftiger Generationen.
  3. In der digitalisierten Welt kommt das Bargeld derzeit in vielen Ländern unter Druck. Die Schweiz sollte allen Anstrengungen zur Beschränkung des Bargeldverkehrs widerstehen. Bargeld ist nicht nur Ausdruck individueller Freiheit, sondern es ist auch ein bewährter Schutz vor «Finanzieller Repression». Schliesslich liessen sich durch die Abschaffung oder Beschränkung des Bargeldes weder die Schwarzarbeit noch die Steuerhinterziehung oder die Kriminalität aus der Welt schaffen.