Mit der alternden Gesellschaft werden auch die Wähler älter. Diese Tatsache könnte wichtige politische Weichenstellungen erschweren – etwa die Flexibilisierung oder Erhöhung des Rentenalters, eine Schuldenbremse für die AHV oder eine Entpolitisierung des BVG-Umwandlungssatzes. Man muss davon ausgehen, dass sich der Entscheidungshorizont mit zunehmendem Alter verkürzt, zumindest bei Fragen, die einen unmittelbar finanziell betreffen. Die Zukunft der jüngeren Generationen hängt aber von den heutigen Weichenstellungen ab. Was kann man gegen die drohende Verkürzung des Entscheidungshorizonts des Elektorats unternehmen? Hilft die Senkung des Stimmrechtsalters auf 16 Jahre? Soll man sich vom Grundsatz «one man – one vote» verabschieden und Jüngeren zwei Stimmen, Alten dagegen nur eine geben? Oder bietet sich ein Stimmrecht ab Geburt als Lösung an?

Im Zusammenhang mit dem Brexit, der laut Politanalysten von den Älteren gegen den Willen der Jungen durchgesetzt wurde, sind allerlei Vorschläge laut geworden. Verschiedene Schweizer Kommentatoren erinnerten sich, dass die Jungen auch bei der Masseneinwanderungsinitiative von den über 50-Jährigen überstimmt wurden. Es ist also Zeit für grundsätzliche Überlegungen:

  • Ein negativer Alterszensus, also ein Stimmrechtsentzug ab einem gewissen Alter, ist einer demokratischen Gesellschaft unwürdig. Demokratie kann nur nach dem Prinzip «one man – one vote» funktionieren.
  • Der kürzlich aufgebrachte Vorschlag, jungen Bürgern ein Mehrstimmrecht einzuräumen, ihre Stimmen also mehrfach zu zählen, ist eine abgeschwächte Form eines Alterszensus und läuft ebenfalls auf eine direkte Diskriminierung hinaus. Auch hier wird die rote Linie überschritten.Alterspyramiden
  • Ein Ausländerstimmrecht würde das Medianalter etwas senken, weil die in der Schweiz lebenden Ausländer jünger sind als die Schweizer. Zumindest auf Gemeinde- und Kantonsebene wäre ein Ausländerstimmrecht ab einer gewissen Aufenthaltsdauer in der Schweiz zu begrüssen.
  • Das Stimmrechtsalter könnte auf 16 Jahre gesenkt werden. In anderen Ländern, etwa in Österreich, ist das schon Realität. Enorm viel am Medianalter würde das zwar nicht ändern. Sollten die 16- bis 17-Jährigen ihr Stimm- und Wahlrecht gleich oft in Anspruch nehmen wie die jetzt 18- bis 19-Jährigen, dann wäre mit einer Senkung des Medianabstimmendenalters von 0,6 bis 0,7 Jahren zu rechnen. Die Massnahme würde an den Relationen somit wenig ändern, wäre jedoch immerhin ein kleiner Schritt in die richtige Richtung.
  • Finanzielle Anreize sind falsch. Wählen und Abstimmen ist ein Bürgerrecht, keine Bürgerpflicht. Es wäre unlogisch, jemandem Geld dafür zu zahlen, dass er sein Bürgerrecht wahrnimmt.
  • Zu diskutieren ist hingegen die Einführung eines Kinderstimmrechts: Kinder hätten ab Geburt ein Stimmrecht, das aber – bis sie 18 (oder 16) Jahre alt sind – ihre Eltern für sie ausüben. Das könnte den verkürzten Entscheidungshorizont aus zwei Gründen entschärfen: Erstens ist anzunehmen, dass Eltern von minderjährigen Kindern die fernere Zukunft stärker gewichten als Personen ohne Kinder. Zweitens ist das Medianalter von Eltern mit Kindern ein bisschen niedriger als jenes der stimmberechtigten Bevölkerung.

Die Präferenzen der Stimmbürger hängen – neben dem Alter – von vielen anderen Faktoren ab. Festzuhalten ist aber: Die Bevölkerungspyramide dreht sich um (vgl. Grafik). Bei einer Geburtenziffer von 1,5 Kindern pro Frau wird jede jüngere stimmberechtigte Generation kleiner sein als ihre Vorgängergeneration, die kurz vor der Pensionierung steht. Unter solchen Vorzeichen wurde die direkte Demokratie noch nie ausprobiert. Umso wichtiger ist in Zukunft eine politische Bildung, die die Jungen für die Wichtigkeit politischer Entscheidungen sensibilisiert und zur mehr Partizipation ermuntert. Avenir Suisse versucht seit jüngstem, selber in diese Richtung zu arbeiten. Mit «Avenir Jeunesse» werden wir in Kürze einen Kommunikationskanal starten, der sich bewusst an Jüngere richtet.