Noch vor wenigen Jahren galten Energiekonzerne als attraktives staatliches «Tafelsilber», dank dem die kantonalen Eigentümer auf regelmässige Einkommensströme zählen durften. In der Zwischenzeit mussten mehr als ein Energieunternehmen milliardenschwere Buchverluste verbuchen. Es ist nicht mehr auszuschliessen, dass die finanziellen Verluste im Energiesektor Ausmasse annehmen könnten wie während der Kantonalbankenkrise in den 1990er-Jahren, als verschiedene Geldinstitute staatlicher Rettung bedurften. Diese besorgniserregenden Entwicklungen machen es nötig, das Thema Privatisierung in der Schweiz wieder aufs Tapet zu bringen – und zwar für alle Branchen.

Senior Fellow Samuel Rutz hat für das neue «avenir debatte» die staatlich beherrschten Unternehmen der Schweiz unter die Lupe genommen. Seine Analyse entkräftet den Mythos, wonach öffentliche Betriebe und Beteiligungen Garant sind für Qualität und tiefe Preise. Im Gegenteil zeigt er auf, dass die bestehenden politischen Interessenskonflikte sich zum Teil sehr negativ auswirken. Die Beurteilung der Entwicklungen in der Telekom-, der Finanz- und Energiebranche bildet die Basis für die in der Studie vorgestellte Privatisierungsagenda für die Schweiz.

Privatisierungen nicht als Selbstzweck, sondern als Chance sehen

Privatisierungen sind vor allem eine Antwort auf die Herausforderungen der globalisierten und digitalisierten Wirtschaft. Sie bieten sich überall dort an, wo für die Steuerzahler finanzielle Risiken bestehen und private Akteure die entsprechenden Aufgaben besser als staatliche Unternehmen erfüllen können – etwa bei den Kantonalbanken, der Swisscom oder der Ruag. In wettbewerblichen Märkten sind Privatisierungen der letzte konsequente Schritt in die politische Unabhängigkeit, der es den Unternehmen erlaubt, flexibel an den Märkten zu agieren.

Anders ist die Sachlage bei den Netzwerkinfrastrukturen: In der Strombranche oder im Verkehrswesen muss zuerst ein funktionierender Wettbewerb durch Deregulierung und Liberalisierung sichergestellt werden. Und in jenen Bereichen, in denen ein staatliches Engagement damit begründet wird, dass der freie Markt nicht jene Menge oder Qualität produziert, die «gesellschaftlich erwünscht» ist, bieten sich zumindest Marktöffnungsschritte an, etwa in Form von Leistungsaufträgen an private Institutionen.

Bei der Privatisierung von Staatsbetrieben können Erträge in Milliardenhöhe anfallen, deren Verwendung schon vorab festgelegt werden sollte. Hierbei ist von einer Zweckbindung für konkrete Projekte abzusehen – zu gross ist die Gefahr von unproduktiven Verteilungskämpfen. Avenir Suisse schlägt vor, Privatisierungserlöse direkt an die Bevölkerung, die bisher als Steuerzahlende die Risiken wesentlich mitgetragen hat, weiterzugeben – sei dies in Form von Steuerreduktionen oder «Volksaktien».

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