Im renommierten Shanghai-Ranking der globalen Universitäten erscheint die ETH auf Rang 19 (2016) und gilt damit als beste Bildungsinstitution ausserhalb der USA und Grossbritanniens. Dazu bringt die Schweiz vier Universitäten unter die Shanghai-Top-100, gleich viele wie unsere zehnmal grösseren Nachbarn Deutschland und Frankreich. Auch der steigende Anteil ausländischer Studierender und das dichte Netz ausländischer Partnerinstitute belegen die Qualität unseres Hochschulstandortes. Angesichts der sich beschleunigenden technologischen Entwicklung brauchen innovative Unternehmen kritische, scheinbare Gewissheiten hinterfragende Mitarbeitende.

Der bildungspolitische Erfolg der Schweiz ist aber keineswegs in Stein gemeisselt. Mit zunehmender Mobilität verschärft sich der weltweite Wettbewerb um die besten Talente und Ideen. Auf vielen Gebieten wird Spitzenforschung anspruchsvoller und aufwendiger, die kritische Masse der Mittel steigt. Zahlreiche Länder intensivieren ihre Anstrengungen und holen auf.

Es fehlt eine nationale Strategie

Umso bedenklicher ist es, dass die Schweizer Hochschulpolitik immer mehr von Regionalpolitik und Standesdenken bestimmt wird, Exzellenz und Effizienz drohen unterzugehen. Der Bildungssektor setzt seine Energien dafür ein, zuerst einen möglichst grossen Teil des Kuchens für sich abzuschneiden, um ihn dann freundeidgenössisch unter sich aufzuteilen. Das Hochschulförderungs- und Koordinationsgesetz ist Ausdruck dieser föderal-korporatistischen Grundhaltung. Universitäten werden als eine Art «Service public» verstanden, der gleichmässig über die Regionen verteilt ein möglichst umfassendes Angebot gewährleisten soll. Was hingegen fehlt, ist eine nationale Strategie zur globalen Positionierung des Hochschulplatzes Schweiz.

ETH Zürich, im Hintergrund die Universität. (ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv)

Bildung ist die Grundlage der schweizerischen Prosperität: ETH Zürich, im Hintergrund die Universität. (ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv)

Anstatt immer mehr Mittel mit der Giesskanne zu verteilen, wäre es klug, das Geld konzentrierter zu nutzen. Dafür müsste sich die Schweiz ein Stück weit von ihrem nivellierenden Föderalismus verabschieden und sich als nationalen Hochschulraum definieren. Gefragt ist aber nicht ein Masterplan von höchster Stelle, der den Hochschulen Rollen zuweist, sondern im Gegenteil mehr Gestaltungsfreiheit für die Institutionen. Dazu müssten sie aus der politischen Zwangsjacke befreit werden. Ein möglicher Weg zu mehr Autonomie wäre der Übergang von der heutigen Anbieter- zur Nutzerfinanzierung, z.B. über ein Bildungskonto, das den Wettbewerb um die Studierenden fördert. Um auf dem Bildungsplatz Schweiz kompetitiv zu sein, würden die Hochschulen ihr Angebot an Studiengängen straffen, Kooperationen oder Fusionen eingehen und sich mehr als heute um private Mittel bemühen.

Vielleicht gäbe es in einem solchen Hochschulraum weiterhin Volluniversitäten – die Breite der Disziplinen hat ja durchaus ihren Wert. Ob man allerdings in einem Land von acht Millionen an vier Orten Indologie und in sechs Städten Slawistik anbieten muss, darf bei aller Liebe zur Philologie hinterfragt werden.

Dieser Beitrag ist am 7. November 2016 im «Politblog» erschienen, einer Kooperation von Newsnet mit der gemeinsamen Bundeshausredaktion von «24 heures» und «Tribune de Genève» sowie «Tages-Anzeiger» und «Der Bund». Mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.