Die USA sind für Unternehmen eine Steuerhölle. Es ist kein Zufall, dass US-Multis zu den grössten Konsumenten von Steueroptimierungsstrategien gehören. Dazu zählen medial kontroverse Praktiken wie die sogenannten Inversionen: die Übernahme eines Konkurrenten mit gleichzeitiger Verlagerung des Unternehmenssitzes ins steuergünstigere Ausland, beispielsweise in die Schweiz.

Dem könnte Präsident Trump einen Riegel schieben. Dank des Wahlsiegs der Republikaner im Kongress hat eine umfassende Reform der Unternehmensbesteuerung erstmals seit 1986 reelle Chancen. Die erste Reformskizze des Repräsentantenhauses, die seit dem Sommer kursiert, ist für die stets auf Kontinuität bedachte Steuerwelt fast revolutionär.

Cashflowsteuer

Die Kürzung des gesetzlichen Steuersatzes von 35 auf 20% zählt zu den am wenigsten überraschenden Elementen des Plans. Sogar grosse OECD-Länder wie Grossbritannien peilen neuerdings tiefe Besteuerungen an. Zum Vergleich: Nach der Unternehmenssteuerreform III würde die Schweiz einen ordentlichen Gewinnsteuersatz von etwa 15% bieten.

Noch mehr als die Sätze lässt die Transformation der Gewinnsteuer in eine  Cashflowsteuer das Herz der Steuerökonomen höher schlagen. Zur Bestimmung der Steuerbasis würde künftig nicht der Gewinn, sondern die Differenz von Einnahmen zu Ausgaben herangezogen. Die Abgrenzung der Gewinne mit Aktivierung der wertvermehrenden Investitionen im Anschaffungsjahr und deren schrittweisen Abschreibung würde für Steuerzwecke entfallen. Investitionen würden damit künftig wie Geschäftsaufwand behandelt.

Diese Änderung hätte volkswirtschaftliche Konsequenzen. Dank dieses Verfahrens würde der Grenzsteuersatz für Neuinvestitionen auf null fallen. Unter der klassischen Gewinnsteuer wird die Rendite von Investitionen hingegen mehrfach belastet. Viele Ökonomen erachten dies als schädlich, weil damit der Motor des Wachstums – die Spar- und die Investitionstätigkeit – steuerlich gebremst wird.

U.S. Capitol

Wird hier eine wegweisende Steuerreform ausgebrütet, die auch die Schweiz betrifft? Das U.S. Capitol in Washington D.C. (Foto: Library of Congress)

Der Steuerreformplan hat drei Haken. Erstens könnte der Übergang zum neuen System für die Investoren schmerzhaft sein. Für bestehende Investitionen bringt eine Cashflowsteuer Nachteile: Weil Abschreibungen heute gewinnschmälernd wirken, würde ihr Wegfall die erwartete Steuerlast erhöhen.

Der zweite Haken betrifft die grenzüberschreitenden Investitionen. Vorgesehen ist der Wechsel zu einem mehrwertsteuerähnlichen System, in dem die Cashflowsteuer nach dem Bestimmungslandprinzip erhoben wird. Importe in die USA würden zusätzlich der Unternehmenssteuer unterstehen. Umgekehrt könnten US-Exporteure die Unternehmenssteuer als Vorsteuer in Abzug bringen.

Es wäre volkswirtschaftlich verfehlt, dabei einen explizit protektionistischen Mechanismus zu vermuten. Die meisten Ökonomen gehen davon aus, dass allfällige Vorteile für die US-Exporteure durch einen stärkeren Dollar rasch zunichte gemacht werden würden. Doch so genau wissen das selbst die Experten nicht: Vermögenseffekte sind beim Wechsel eines Steuersystems schwer vorherzusagen. Viel würde von den konkreten Übergangsbestimmungen abhängen.

Schweiz hat profitiert

Der dritte Haken betrifft die Schweiz. Der Plan sieht eine Besteuerung der multinationalen Unternehmen gemäss dem landesweiten Umsatz vor. Entscheidend für die Besteuerung ist heute der Ort, wo der Gewinn entsteht – nicht der Umsatz. Dies hat zu einer Verschiebung der Erträge in Länder geführt, die relativ tiefe Gewinnsätze für multinationale Unternehmen bieten. Davon konnte die Schweiz profitieren. Eine Umsatzorientierung würde weitergehen als das, was im Rahmen der BEPS-Initiative (Verhinderung der Gewinnverkürzung und -verlagerung) von der OECD beschlossen wurde.

Noch ist Trump nur President Elect. Es ist zu früh, um seine Absichten zu evaluieren. Gut möglich, dass der Berg schliesslich eine Maus gebären wird. Gleichwohl könnte es sich aber auch um die Mutter aller Steuerreformen handeln.

Dieser Beitrag ist in der «Finanz und Wirtschaft» vom 17. Dezember 2016 erschienen.