Stolz stellten wir zu Jahresende fest, dass unser Land im internationalen Vergleich nach wie vor gut dasteht. Die Lebenserwartung ist hoch, die Arbeitslosigkeit tief und die öffentlichen Finanzen hat man im Griff. Auch von menschenverachtenden Terroranschlägen gegen die Zivilbevölkerung wie in unseren Nachbarländern blieb die Schweiz bis heute glücklicherweise verschont. Doch so viel Glück zusammen mit dem wirtschaftlichen Erfolg ist nicht in alle Zukunft per se gegeben. Unmerklich kann die Freude über das Erreichte auch zu schleichender Selbstzufriedenheit und abnehmendem Reformwillen führen. So sollte nicht verdrängt werden, dass das qualitative Wachstum in der Schweiz, gemessen an der Arbeitsproduktivität, unterdurchschnittlich ist, auch die Investitionsquote ist rückläufig.

Renationalisierung und Protektionismus

Zur gleichen Zeit sind in zahlreichen ausländischen Staaten Renationalisierungstendenzen und protektionistische Strömungen zu beobachten. Da ist in Erinnerung zu rufen, dass die wirtschaftliche Erfolgsgeschichte der Schweiz auf ihrer aussenwirtschaftlichen Offenheit mit dem weitgehend ungehinderten Zugang zu ausländischen Märkten basiert. 2015 wurden nicht weniger als 70% des Bruttoinlandprodukts im Austausch mit dem Ausland verdient. Doch auch wir gewärtigen heftige politische Auseinandersetzungen zu unserem Verhältnis zum Ausland, insbesondere zur EU. Ein Ende des politischen Streits über den künftigen Kurs der Aussenwirtschaftspolitik ist nicht absehbar. Die im Rahmen der Debatte zur Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative (MEI) verwendeten Wortkreationen wie «Bürokratiemonster» oder «Volksverrat» werden wohl bald durch neue abgelöst. Auch diese werden mehr den Bauch als den Intellekt ansprechen.

Swissair-Flugzeug über den Alpen (ca. 1935).

Dem Willen zum Aufbruch hat die Schweiz ihren Erfolg zu verdanken. Dies wird auch in Zukunft so bleiben. (ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv)

Im neuen Jahr werden sich die eidgenössischen Räte mit dem Gegenentwurf zur Rasa-Initiative beschäftigen. Dazu hat ein Bürger vor Neujahr das Referendum gegen die MEI-Umsetzung lanciert. Mein erster Neujahrswunsch ist denn auch, dass wir unseren wirtschaftlichen Erfolgsweg dank aussenwirtschaftlicher Offenheit weitergehen und unser Verhältnis zu Europa (endlich) auf eine stabilere Basis stellen. Anstelle sich abzuschotten – was gewaltige Wohlstandsnachteile bringen würde – sind die Wirtschaftsbeziehungen mit unserem wichtigsten Handelspartner, der notabene 62 Prozent des gesamten Volumens ausmacht, weiter zu vertiefen und der bilaterale Weg zu stärken.

Wir brauchen das Wirtschaftswachstum und den Zugang zu ausländischen Märkten auch, um die Alterung der Gesellschaft zu finanzieren. 2035 werden die Babyboomer pensioniert sein.1995 standen einem Rentner durchschnittlich 4,19 Personen im erwerbsfähigen Alter gegenüber, 2035 werden es 2,29 sein. Die Altersvorsorge ist umfassend zu reformieren, will man das finanzielle Fundament auf Dauer sichern. Die derzeit in den Räten behandelte Altersvorsorge-2020-Vorlage ist ein bedeutender Lösungsansatz.

Flexibilisierung und Digitalisierung

Dieser Reform wird eine weitere folgen müssen. Damit einher geht mein zweiter Neujahrswunsch: Rentenreformen sollen stärker die neuen Lebenswirklichkeiten abbilden, anstatt allein auf die politische Machbarkeit zu schielen. Das Rentenalter sollte mittelfristig flexibilisiert und der Vorsorgeschutz des BVG ans digitale Zeitalter angepasst werden, um die Pluralisierung des Arbeitslebens aufzufangen. Das führt zum dritten Neujahrswunsch: Wir sollten uns der digitalen Revolution nicht verschliessen, sondern diese Chance nutzen. Das verlangt eine rasche Weiterentwicklung des Bildungssystems und dass man in den Schulen das Programmieren erlernt. Digitale Dienstleistungen wie Uber und Airbnb sollen nicht mit neuen Vorschriften verhindert, sondern aktiv ermöglicht werden. Diese Angebote sind ein Gewinn für uns Konsumenten. Zentral ist ein fairer, unverzerrter Wettbewerb, das Arbeitsrecht ist entsprechend an die neuen Arbeitswelten anzupassen.

Diese drei liberalen Neujahrswünsche gehen einher mit dem Anliegen, dass 2017 vermehrt dazu genutzt wird, einen Zukunftsdiskurs zu führen. Dieser sollte nicht jenen Kreisen überlassen werden, die auf noch mehr Umverteilung und das Bewahren des Status quo aus sind.

Dieser Text ist als Kolumne in den Print-Ausgaben der «Luzerner Zeitung» sowie im «St. Galler Tagblatt» vom 4. Januar 2017 erschienen.