Der neue US-Präsident sorgt im Tagesrhythmus mit Exekutiverlassen für weltweites Aufsehen. Erst ordnete er den Rückzug aus der Transpazifischen Partnerschaft (TPP) an, dann folgte das Dekret zum Bau einer Mauer zum südlichen Nachbarn Mexiko (auch wenn Art und Weise der Finanzierung alles andere als klar sind). Ende vergangener Woche verhängte er ein Einreiseverbot für Bürgerinnen und Bürger aus sieben muslimischen Ländern. Es dominiert Unsicherheit über globale und nationale Auswirkungen dieser Politik. In den Medien wird über nachhaltige Verwerfungen der weltweiten Wirtschaftstätigkeit spekuliert.

Nachdem der neue US-Präsident der deutschen Automobilindustrie für die in den US-Markt exportierten Fahrzeuge drastische Strafzölle angedroht hatte, publizierte ein führendes deutsches Nachrichtenmagazin Handlungsempfehlungen für einen Handelskrieg. So sei die neue US-Administration daran zu erinnern, dass Deutschland als grösste Wirtschaftsnation auf dem europäischen Kontinent jährlich für 50 Milliarden Dollar US-Güter importiere.

Viele sehen das auf den österreichischen Philosophen Karl Popper zurückgehende Modell der «offenen Gesellschaft» in Gefahr, das unzweideutig mit unserer demokratischen Ordnung verbunden ist. Deutlich wird, dass eine grundlegende Neuausrichtung der (aussenwirtschafts-) politischen Orientierung zu einer abnehmenden politischen Berechenbarkeit führt. In den USA wird das austarierte System der Checks und Balances zwischen Regierung, Kongress und Gerichtsbarkeit einem Stresstest ausgesetzt, sollte die neue Regierung weiterhin via Executive Orders fundamentale Richtungsänderungen anstreben.

Stehen wir vor einer Zeitenwende, die über das Ökonomische hinausgeht? Klar ist vor allem eines: Im Falle einer protektionistischen Ära unter Präsident Trump hat vorab der amerikanische Konsument die Zeche zu bezahlen. Trumponomics mit seiner Interventionsfreudigkeit und der einseitigen Ausrichtung auf die Produktion im Inland orientiert sich am französischen Merkantilismus des 18. Jahrhunderts, also der Förderung von Exporten und Schaffung von protektionistischen Hemmnissen für Importe.

Rheinhafen in Basel. (Wikimedia Commons)

Der Handel mit Gütern und Dienstleistungen hatte in der Schweiz 2015 einen Anteil von 82 Prozent des BIP: Rheinhafen in Basel. (Wikimedia Commons)

Wer einseitig Handelsdefizite als schlecht für den einheimischen Arbeitsmarkt disqualifiziert, vergisst, dass durch die zunehmend offenen Märkte für Importe auch das Exportvolumen der USA über die Jahrzehnte hinweg markant gestiegen ist. Allein im Jahr 2015 exportierten die USA Güter für mehr als 1500 Milliarden Dollar – Garant für Millionen von amerikanischen Arbeitsplätzen. Und mit dem Ausstieg aus der TPP, die immerhin 40 Prozent der weltweiten Wirtschaftskraft auf sich vereinigt hätte, wird laut dem US-Think-Tank Peterson Institute der US-Konsument auf 0,5 Prozent jährliche Einkommenssteigerung verzichten müssen.

Werden Importe aus Mexiko mit hohen Strafzöllen belegt, spüren das nicht nur die amerikanischen Konsumenten, sondern auch US-Produzenten und Exporteure. Denn US-Importe aus Mexiko sind zu einem nicht geringen Teil Vorleistungen, die für die Weiterverarbeitung gebraucht werden. Es besteht das Risiko, dass der neue US-Präsident der grössten Volkswirtschaft der Welt die bisherige, seit Jahrzehnten verfolgte Strategie einer offenen Aussenwirtschaftspolitik über Bord werfen wird.

Die Frage bleibt, welches Stimmverhalten die US-Wähler in vier Jahren zeigen werden, wenn die versprochenen Wohlstandsgewinne ausbleiben. Kehren die USA den globalen Wertschöpfungsketten den Rücken, werden andere Nationen die Lücke füllen, allen voran China. Gerade die Schweiz tut gut daran, sich weiterhin für den ungehinderten Marktzugang einzusetzen. Der Handel mit Gütern und Dienstleistungen hatte in unserem Land im Jahre 2015 einen beeindruckenden Anteil von 82 Prozent des Bruttoinlandprodukts. Mehr als die Hälfte unseres Einkommens wird im Ausland verdient. Doch mit einem Rückzug der USA hinter selbst gewählte ökonomische Mauern können sich wirtschaftliche und geopolitische Gewichte verschieben, hin zu autokratisch geführten Staaten. Entsprechend ist daran zu erinnern, dass unsere westlich-demokratischen Werte, das offene liberale Gesellschaftsmodell Karl Poppers, nicht per se gegeben sind – ihr Erhalt bedarf eines andauernden Engagements.

Diese Kolumne ist in der «Luzerner Zeitung» und im «St. Galler Tagblatt» erschienen (Print-Ausgaben).